Anschlag in Paris: Der Feind in den eigenen Reihen
Ein langjähriger Mitarbeiter der Pariser Polizeidirektion hat am Donnerstag vier Kollegen getötet, ehe er von Beamten erschossen wurde. Der Mann war vor zehn Jahren zum Islam konvertiert und hatte sich radikalisiert, teilten die Ermittler mit. Er stand mit Salafisten in Kontakt, war aber weiterhin als IT-Experte im Bereich der Terrorabwehr bei der Polizei tätig. Kommentatoren sind fassungslos.
Franzosen leiden an einer gefährlichen Krankheit
Warum der Polizeibeamte trotz seiner Radikalisierung in den Bereichen Geheimdienstinformation und Terrorabwehr eingesetzt werden konnte, erklärt Alexis Brézet, Chefredakteur von Le Figaro:
„Dass wir nichts von dem haben kommen sehen, was in der Pariser Polizeipräfektur ausgeheckt wurde, liegt daran, dass wir nichts sehen wollten! Und dass wir nichts sehen wollten, liegt daran, dass wir in Frankreich allesamt Opfer einer seltsamen Krankheit sind: eine Geistesschwäche, die der absichtlichen Blindheit nahekommt, eine Krankheit, die - will man sie bekämpfen - endlich beim Namen genannt werden muss: Leugnung des Islamismus. ... Die Leugnung des Islamismus gefährdet die Franzosen. ... Zu einem Zeitpunkt, da die Mobilisierung maximal sein sollte, lähmt sie den Kampf gegen islamistische Infiltrationen in unseren Demokratien.“
Täter konnte sich wertvolle Infos verschaffen
Auch Adevărul ist entsetzt, welche Möglichkeiten der Angreifer aufgrund seiner beruflichen Tätigkeit hatte:
„[Am Arbeitsplatz des Täters] befinden sich ganze Bibliotheken von Daten, die terroristische Bewegungen betreffen, wichtige Informationen über ihre Kontakte, Adressen, mutmaßliche Unterstützernetzwerke, Kontakte von Sympathisanten verschiedener Bereiche und vieles mehr. Auch sind dort alle Daten gespeichert, die Polizisten betreffen (auch jene, die verdeckt ermitteln), die in Antiterror-Operationen eingesetzt sind, ihre Adressen, Telefonnummern ihrer Familien und Freunde, die im Notfall schnell kontaktiert werden können. ... Eine immense Anzahl von spezialisierten Informationen, ein wahrer Schatz, zu dessen vertrauenswürdigen Wächtern der Mörder gehörte. Die Frage ist jetzt, wie viel davon konnte er dem Netzwerk übergeben, zu dem er gehörte?“
Das Motiv klar beim Namen nennen
Dass sich Politik und Medien schwer taten, den islamistischen Hintergrund der Mordattacke auszusprechen, kritisiert die Tageszeitung Die Welt:
„[I]n Wahrheit tun wir mit dieser Form der Zurückhaltung am allerwenigsten den Muslimen einen Gefallen. Gerade weil militante Islamisten nicht mit Muslimen gleichzusetzen sind, kann man die Taten der einen den anderen nicht vorwerfen. ... Ein Hauptzweck von Attentaten wie jenem in Paris besteht darin, die Mehrheitsgesellschaft gegen die Muslime einzunehmen. Und durch den daraus resultierenden Hass wiederum die Muslime in die Arme der Islamisten zu treiben. Wenn das gelingt, dann profitieren nicht nur muslimische Fundamentalisten, sondern auch rechtsradikale Möchtegern-Christen. Beiden Feinden der offenen Gesellschaft können wir besser entgegentreten, wenn wir klarer und furchtloser sprechen.“