Klarer Wahlsieg der PiS in Polen
Polens Regierungspartei hat bei der Wahl am Sonntag ihre Mehrheit ausgebaut. Die national-konservative PiS errang 43,6 Prozent der Stimmen und kann damit alleine regieren. Zweiter wurde das liberalkonservative Oppositionsbündnis KO mit 27,4 Prozent. Wie die Kaczyński-Partei mit dem Erfolg umgehen und wie Europa darauf reagieren sollte, diskutieren Kommentatoren.
Regierungspartei sollte in die Mitte rücken
Im eigenen Interesse sollte die PiS die neue Machtfülle nicht missbrauchen, empfiehlt der Deutschlandfunk:
„Die PiS könnte verstehen, dass so am Ende alle verlieren. Auch sie selbst. Denn, wenn die Konjunktur nachlässt und sie nicht mehr so viel neues Geld zu verteilen hat, dann könnte sie mit einer autoritären Politik sehr schnell zum allgemeinen Hassobjekt werden. Die PiS könnte also die laufende Legislaturperiode dazu nutzen, in die Mitte zu rücken, den Ausgleich zu suchen. Dann würde das neue Interesse, das die Polen an Politik gefunden haben, dem Land langfristig sehr viel Nutzen bringen. Einige Aussagen von PiS-Politikern am Wahlabend haben zumindest eine leise Hoffnung geweckt.“
Senat kann Regierung bremsen
In der zweiten Parlamentskammer, dem Senat, hat die Regierungspartei PiS die absolute Mehrheit verloren. Dadurch werden die Entscheidungen künftig zumindest kontrovers diskutiert, hofft Jurist Rafał Gawlikowski auf der Plattform Klubjagiellonski.pl:
„Der Sieg der Opposition im Senat wird die Reformen der PiS zwar nicht blockieren, aber er wird wahrscheinlich den gesamten Gesetzgebungsprozess verlangsamen. Der Sejm, das Unterhaus, kann die Änderungen durch den Senat mit absoluter Mehrheit ablehnen. Der schnelle Gesetzgebungsprozess der vergangenen vier Jahre wird sich aber durch diesen Prozess glücklicherweise verlangsamen.“
Gegen Populisten hilft nur Sozialprogramm
Aktuálně.cz bringt die Ergebnisse der Wahlen in Polen und Ungarn auf einen gemeinsamen Punkt:
„Die mitteleuropäischen Regierungen wissen, dass das Anziehen der Schrauben nicht ohne großzügige Sozialprogramme möglich ist. ... Die Botschaft aus Polen und Ungarn ist also praktisch dieselbe: Liebe liberale Demokraten aller Art, kritisiert uns, versucht uns vor die Gerichte der EU zu bringen, runzelt die Stirn über uns. Aber wenn Ihr kein wirklich gutes wirtschaftliches und soziales Programm gegen unseren Populismus in Euren Ländern anbietet, werden wir regieren. Eine Botschaft, die tatsächlich für ganz Mitteleuropa gilt, obwohl die nationalen Führungen in Tschechien und der Slowakei zum Glück noch viel weniger autoritär sind. Die Hilflosigkeit der demokratischen Opposition ist jedoch in den Visegrád-Staaten nahezu überall gleich.“
Europa sollte seine Lehren ziehen
Warum es der PiS im Vergleich zu den Liberalen, die von 2007 bis 2015 regierten, besser gelingt, die wirtschaftliche Prosperität Polens in Siege an der Urne zu verwandeln, erklärt Le Temps:
„Seinen Erfolg hat Kaczyński vor allem der guten Wirtschaftslage zu verdanken. ... Die Liberalen können sich damit rühmen, dieses 'Wunder' bewirkt zu haben. Sie überzeugen die Polen jedoch nicht mehr. Es ist wichtig zu verstehen, warum das so ist. Der Nationalismus der PiS nimmt oft abscheuliche Züge an und das autoritäre Abgleiten Kaczyńskis (der im Hintergrund mitmischt) ist gefährlich. ... Es gibt allerdings noch einen weiteren Faktor, der den Erfolg der Konservativen erklärt: die soziale Gerechtigkeit. Die Liberalen sprachen davon, setzten aber auf den Markt. Die PiS hat gehandelt und dafür sind ihr die Polen dankbar. Das könnte eine Lehre für Europa sein.“
PiS siegt dank sozialer Geschenke
Auch für De Volkskrant war vor allem die Sozialpolitik der PiS ausschlaggebend für den Sieg:
„Einen höheren Mindestlohn? Versprochen und ausgeführt. Viel Kindergeld? Sehr beliebt. Das Rentenalter? Gesenkt, entgegen dem europäischen Trend. Medikamente für Ältere? Künftig gratis. Dadurch punktet die Partei insbesondere im ländlichen Raum, wo sich die Wähler früher benachteiligt fühlten. ... So erweist sich der Rechtspopulismus in Europa östlich der Oder erneut quicklebendig. ... In Polen und Ungarn werden Institutionen in Kultur, Medien und Gerichtsbarkeit vom Willen der Regierung abhängig gemacht. Aber solange dem soziale Geschenke und christliche, anti-liberale Rhetorik gegenüber stehen, können viele Wähler damit sehr gut leben.“
Opposition in Ungarn hat's begriffen
Die polnischen Oppositionsparteien haben ihre Chance verpasst, urteilt Gazeta Wyborcza:
„Während wir unser Parlament gewählt haben, haben die Ungarn bei den Kommunalwahlen abgestimmt. Im Gegensatz zu unseren Oppositionsparteien haben die ungarischen einen Block geformt. Dadurch ist ein Oppositionspolitiker zum Bürgermeister von Budapest geworden. ... 'Budapest' bedeutet heute, dass die Zusammenarbeit der Opposition dazu beiträgt, autokratische Parteien zu besiegen. Schade, dass wir bei unserer Wahl kein solches Budapest hatten. Die Oppositionsparteien haben zwar insgesamt mehr Stimmen, aber weniger Sitze gewonnen als die PiS.“
EU muss Polen jetzt entgegenkommen
Deutschland und die EU müssen nach diesem Wahlsieg einen anderen Umgang mit Polen finden, findet Der Tagesspiegel:
„Die Strategie des taktierenden Abwartens ist an ein Ende gekommen. ... Man möchte also hoffen, dass alle Seiten sich jetzt um Annäherung und Ausgleich bemühen. ... Nicht alles, was den Kritikern der PiS missfällt, oft aus guten Gründen, ist gleich ein Bruch europäischer Werte. Es steht jedem Land frei, weitere Kompetenzverschiebungen an die EU abzulehnen und in den Bereichen, die nicht vergemeinschaftet sind, auf nationale Eigenständigkeit zu pochen. Selbstverständlich darf die EU keine Flexibilität zeigen, wenn Grundwerte, Demokratie, Rechtsstaat und die Freiheit der Medien bedroht sind. Allzu pauschale Anklagen dienen der Sache aber nicht.“