Der holprige Weg zur neuen EU-Kommission
Zuerst fielen mehrere Kandidaten für die neue EU-Kommission beim EU-Parlament durch, und nun gibt es neuen Ärger: Da Großbritannien bisher noch keinen Kandidaten für Ursula von der Leyens Team benannt hat, hat Brüssel ein Vertragsverletzungsverfahren gegen London eingeleitet. Kommentatoren sind zunehmend besorgt darüber, dass der Start der neuen Kommission sich so schwierig gestaltet.
So nicht, Mr. Johnson!
Johnsons Verhalten bietet keine guten Aussichten für eine vertrauensvolle Zusammenarbeit nach dem Brexit, findet die Frankfurter Allgemeine Zeitung:
„Noch ist Großbritannien Mitglied der EU, mit allen Rechten, aber auch mit allen Pflichten. Und dazu hätte die Benennung eines Kommissars gehört. Dass dieser (mutmaßlich) keine lange Amtszeit zu erwarten hätte, ändert daran gar nichts. So aber muss man den Eindruck gewinnen, Boris Johnson stelle sich die künftige 'Partnerschaft' mit der EU in etwa so vor wie sein guter Freund im Weißen Haus: Zusammenarbeit, wenn es gar nicht anders geht, ansonsten darf Europa nach Londons Pfeife tanzen. So wird es nicht gehen. Und das wird auch ein möglicher Wahlsieger Johnson eher früher als später bemerken.“
EU braucht dringend neue Führung
An wichtigen Aufgaben mangelt es der neuen Kommission nun wahrlich nicht, stellt Delo fest:
„Auf die Union wartet die Entscheidung über das Budget von mehr als 1.200 Milliarden Euro für den Zeitraum von sieben Jahren. Die Entscheidung über das Asyl- und Migrationspaket ist vor mehreren Jahren ins Stocken geraten. Die europäische Wirtschaft rutscht zwar nicht in eine Rezession, doch allen Projektionen zufolge stehen wir vor einer längeren Periode geringeren Wachstums. Der Rückstand der EU gegenüber den asiatischen Konkurrenten und den USA im digitalen Bereich setzt sich fort. Ursula von der Leyen will nicht pessimistisch sein und verweist auf zahlreiche Vorteile der EU, wie ihrer Rolle als Handelsmacht. ... Doch die komplexe globale Situation, die destabilisierte Nachbarschaft und interne Turbulenzen fordern von der neuen EU-Führung den Start einer verantwortungsvollen Arbeit.“
Ursula von der Leyens schwerer Start
Je mehr Zeit vergeht, umso schwächer mutet die neue EU-Kommission an, klagt Ökonom Alberto Quadrio Curzio in Huffington Post Italia:
„ Selbst wenn es ihr gelingt, ihr Amt am 1. Dezember anzutreten, wird sie erst im Frühjahr voll einsatzbereit sein, und dann sind weitere fünf Monate vergangen. Zu viel Zeit für die Dringlichkeiten, vor denen wir stehen. ... Persönlich habe ich seinerzeit eine große Wertschätzung für die Wahl von der Leyens zum Ausdruck gebracht. Doch bei der Zusammensetzung der Zuständigkeiten der Abteilungen und der Kommissare traten erste Perplexitäten auf. Vor allem die Zergliederung und Neuzusammensetzung der Kommissare und Zuständigkeiten hat viele Überschneidungen geschaffen und für Verwirrung gesorgt.“