Zölibat: Benedikt XVI. interveniert gegen Lockerung
Der emeritierte Papst Benedikt XVI. hat seinen Nachfolger Franziskus ermahnt, nicht am Zölibat zu rütteln. Entsprechende Äußerungen finden sich in einem Buch, das er gemeinsam mit dem konservativen Kardinal Robert Sarah geschrieben haben soll. Franziskus hatte im vergangenen Jahr eine Diskussion über die Ehelosigkeit von Priestern angestoßen. Gefährdet Benedikts Intervention eine dringend nötige Reform?
Einmischung einfach ignorieren
Dass der "Papst Emeritus" immer wieder dazwischenfunkt, stört The Guardian:
„Als Benedikt als erster Papst in der Geschichte zurücktrat, versprach er, sich nicht in die Entscheidungsprozesse seines Nachfolgers einzumischen. Doch sein Dazwischenfunken läuft stets nach dem gleichen Muster ab. Im vergangenen April veröffentlichte er einen Artikel, in dem er die Missbrauchsskandale der Kirche mit einer Kultur der sexuellen Freizügigkeit in den 1960er Jahren in Verbindung brachte. Das erschwerte Franziskus' Bemühungen, die wahren Ursachen zu benennen: die kirchlichen Machtstrukturen mit ihrem System der Protektion und einer Kultur der Straflosigkeit. Es wird erwartet, dass Franziskus im kommenden Monat seine Positionen zu den Empfehlungen der Amazonas-Synode veröffentlicht. Wenn er das tut, sollte er Benedikts jüngsten Schuss vor den Bug ignorieren.“
Ein Ruf des Herzens
Joseph Ratzinger konnte sich ein Eingreifen nicht verkneifen, unterstreicht Le Figaro:
„Im Hinblick auf die bevorstehende Entscheidung Franziskus' kommt dem Beitrag seines Vorgängers große Bedeutung zu. Franziskus schätzt dessen Meinung hoch. Und Benedikt XVI. denkt, dass der energische Pastor Bergoglio zum Zeitpunkt eines entscheidenden Beschlusses den Theologen Ratzinger braucht, um ihn aufzuklären. An dieser Vorgehensweise ist nichts auszusetzen. Dieser Text ist vor allem ein Ruf des Herzens. An seinem Lebensabend beschränkt sich Benedikt XVI. auf wesentliche Worte. Sie sind mit einem Gefühl der Dringlichkeit verfasst und haben eine unbestreitbare geistige Tiefe, wie ein Echo der Worte der ersten Apostel in der Not: 'Non possumus non loqui' ('Wir können nicht nichts sagen').“
Kirche muss den Schritt ins 21. Jahrhundert wagen
Die Einschränkung des Zölibats wäre für die katholische Kirche ein wichtiger Schritt in Richtung Zukunft, urteilt Der Standard:
„Man könnte an dieser Stelle anmerken, dass Petrus selbst, laut katholischer Auffassung der erste Papst, der Überlieferung zufolge verheiratet war. Man könnte in die Diskussion werfen, dass der Zölibat kein kirchliches Dogma, sondern lediglich ein kirchliches Gesetz ist, noch dazu mit einigen wenigen Ausnahmen. Dass er erst seit 1139 Voraussetzung für die Priesterweihe ist und in der Bibel keine Rolle spielt. ... Ist der verpflichtende Zölibat einer der Gründe für die Missbrauchsskandale in der katholischen Kirche? Geht es nach zahlreichen Experten, dann ist die Antwort ein eindeutiges Ja. ... Es wäre ein wichtiger Schritt, um die Kirche ins 21. Jahrhundert zu führen: Zölibat ja, aber mit zahlreichen nachvollziehbaren Ausnahmen.“
Debatte bitte nicht auf Banalitäten reduzieren
Der Zölibat ist vielleicht nicht die Wurzel allen Übels, gibt der Geistliche und Psychologe Lello Ponticelli in Avvenire zu bedenken:
„Wie kommt es, dass sich in bestimmten Kreisen, sogar in unserem eigenen Haus, der Gemeinplatz eingeschlichen hat, dass der Zölibat fast zwangsläufig Ausdruck oder Quelle von Unreife, Frustration, Unbehagen, wenn nicht sogar Krankheit ist? Nicht, dass dies nie zutrifft, aber davon ausgehend zu sagen, dass die Abschaffung des Zölibats oder seine Freiwilligkeit die Probleme und Schwierigkeiten löst, grenzt an Banalität. … In der kirchlichen Gemeinschaft und unter uns Priestern stellen sich also andere Fragen: Glauben wir, dass der Zölibat ein Wert ist oder nicht? Und sind 'Jungfräulichkeit' und 'Keuschheit' Worte, die für unterdrückte Lebensformen stehen, oder nicht eher Nuancen der Liebe und der Kunst zu lieben?“