Duda bleibt Polens Präsident: Was sind die Folgen?
Andrzej Duda hat die Präsidentschaftswahlen in Polen gewonnen. Der rechtskonservative Amtsinhaber kam in der Stichwahl vom 12. Juli auf 51,03 Prozent der Stimmen, sein Herausforderer Rafał Trzaskowski, liberaler Bürgermeister von Warschau, auf 48,97 Prozent. Kommentatoren sind überzeugt: Dieses Kopf-an-Kopf-Rennen wird Spuren hinterlassen – auch jenseits der polnischen Grenze.
Keine Freude in Brüssel
Dass Andrzej Duda Präsident bleibt, dürfte die Verhandlungen zu Gemeinschaftshaushalt und Corona-Hilfspaket beim EU-Gipfeltreffen in Brüssel erschweren, warnt The Times:
„Die Wiederwahl Dudas wird die Forderungen verschärfen, Zahlungen künftig an rechtsstaatliche Bedingungen zu knüpfen, insbesondere weil die Regierungspartei bereits einen erneuten Angriff auf die unabhängigen Medien signalisiert hat. Die Realität ist jedoch, dass die Möglichkeiten der EU, Druck auf Polen auszuüben, begrenzt sind, da Haushaltsentscheidungen einstimmig getroffen werden müssen. Und die schwerwiegendste Sanktion, die Aussetzung des Stimmrechts, bleibt unmöglich, solange Warschau auf Unterstützung durch Ungarns Viktor Orbán zählen kann. Stattdessen muss Brüssel hoffen, dass Polen wie bisher die vollständige Konfrontation mit seinen EU-Partnern vermeidet.“
Störende Bremse für Europa
Dudas Wiederwahl ist eine schlechte Nachricht für die EU, bedauert auch El País:
„Polens illiberales Abdriften stützt eine analoge Haltung in Ungarn und stimuliert ähnliche Tendenzen in anderen Nachbarländern. Das Wahlergebnis ist ein schlechtes Omen für die nun bevorstehende Etappe, in der die 27 EU-Mitglieder solidarische Antworten auf die Corona-Krise finden müssen. Die nationalistische Regierung in Warschau ist für ihre Vorliebe bekannt, das Einstimmigkeitsprinzip in Brüssel dafür zu nutzen, jeglichen Fortschritt bei der europäischen Einheit zu blockieren, sofern er nicht konkrete oder direkte Vorteile für die Polen bringt.“
Nichts weiter als eine Marionette
Im Hintergrund hält in Polen weiterhin PiS-Chef Kaczyński die Fäden in der Hand, ist Die Presse überzeugt:
„Für die nächsten drei Jahre gibt es kein Entrinnen vor dem 'guten Wandel', den Jarosław Kaczyński seinen Landsleuten verordnet hat. ... Mit Duda im Präsidentenpalast bleibt alles möglich, denn der Amtsinhaber, ohne dessen Signatur kein Gesetz in Kraft treten kann, frisst Kaczyński aus der Hand. ... Zwar keimt mancherorts die Hoffnung, dass sich Duda in seiner zweiten Amtszeit von seinem Schöpfer emanzipieren könnte. Doch mit der wiederholten Missachtung der polnischen Verfassung während der ersten Amtsperiode hat der Präsident zu viele rechtsstaatliche Brücken abgefackelt, um sich glaubhaft von den illiberalen Sitten distanzieren zu können, die in seiner Heimat in den vergangenen fünf Jahren Einzug gehalten haben. Duda ist kein Freigeist, er ist ein Lakai.“
Liberale müssen wirtschaftspolitisch überzeugen
Das Wahlergebnis zeigt ein gespaltenes Land, das nicht für junge, tolerante und progressive Menschen steht, analysiert The Guardian:
„Die Jungen und die Städter wählten meist Rafał Trzaskowski. Genau wie im benachbarten Ungarn und in den meisten Teilen Westeuropas sind die jungen Städte liberal. Um zurück an die Macht zu kommen, muss die polnische Opposition einen Weg finden, das Vertrauen derjenigen Teile der Gesellschaft zurückzugewinnen, die größere wirtschaftliche Sicherheit mit dem kulturellen Konservatismus und dem Fanatismus der PiS assoziieren. Es ist eine Aufgabe, die durch den anhaltenden Einfluss konservativer Elemente in der katholischen Kirche noch komplizierter wird. Aber für die gebrochenen Herzen der Liberalen Polens muss es bis zur nächsten Wahl oberste Priorität werden, das illiberale Blatt zu wenden.“
Gute Nachrichten für die EU
Der Durchmarsch der PiS ist vorerst gestoppt, kommentiert das Westfalen-Blatt erleichtert:
„Der Versuch, die Wahl mitten in der Corona-Pandemie am ursprünglichen Termin im Mai durchzuziehen, weil Duda in den Umfragen so klar führte, erwies sich als dramatischer Fehler. In einer existenziellen Krise fielen Kaczyńskis egozentrische Machtspiele bei den Menschen durch. Die Opposition lebte mit ihrem neuen Kandidaten Rafal Trzaskowski auf. Der Vorgang belegt eindrücklich, dass es in Polen mit seiner langen Tradition der Freiheitskämpfe auch in den nächsten Jahren kein Szenario wie in Ungarn geben wird. Einen quasidiktatorischen Zugriff auf die Macht werden die Menschen nicht erlauben. Das ist auch für die Europäische Union eine kaum zu überschätzende gute Nachricht.“
Hoffnung auf ein Stück Versöhnung
Denik macht erste Anzeichen aus, dass sich die aufgeheizte Stimmung im Land nun beruhigt:
„Egal, ob der Sieger Duda oder Trzaskowski heißt - er hat nahezu halb Polen gegen sich. Dessen sind sich beide Finalisten der Präsidentschaftswahlen glücklicherweise bewusst. Obwohl das Ergebnis noch nicht bekannt war, schickten sie sich gegenseitig Worte der Anerkennung und einigten sich auf ein Treffen im Präsidentenpalais. Das könnte nach dem hart geführten Wahlkampf ein Signal der Beruhigung sein. Und der Anfang zumindest einer gewissen Aussöhnung. Sollte es dazu kommen, wäre das ein gutes Resultat der bislang spannendsten Wahlen in der Geschichte Polens.“
Nun wird die PiS aufräumen
Krytyka Polityczna zeigt sich hingegen äußerst pessimistisch:
„Wenn Andrzej Duda letztendlich gewinnt, wird er keine andere Wahl haben, als gemeinsam mit dem Regierungslager das beiseite zu schaffen, was die PiS daran hindert, die volle Macht zu übernehmen und sich für Jahre zu sichern: … Unabhängige Medien, rebellische Lokalpolitiker, NGOs, Richter, Minderheiten und Beamte: Nach der Niederlage der Opposition wird diese nicht nur keinen Schutz in Form des präsidentiellen Vetos gegen repressive Gesetze mehr haben. Sie wird auch symbolisch geschwächt sein. ... Für Optimismus ist es zu spät, die Stimmen sind alle abgegeben. Bereiten wir uns nun mental auf das vor, was kommen wird.“
Ein letzter Sieg der Ewiggestrigen
Auch wenn Duda nochmals Präsident wird, ist klar geworden, dass die polnische Regierungspartei die Wähler der Zukunft verloren hat, urteilt Azonnali:
„Trzaskowski ist es gelungen, im gesamten Oppositionslager [von links bis rechts] zu gewinnen. ... Die Zahlen zeigen ganz eindeutig, dass er die große Mehrheit des gebildeten, wohlhabenden, jungen Polens im Rücken hat, während Duda nur noch die Stammwählerbasis der PiS - das ältere, ärmere und ungebildete ländliche Polen - geblieben ist. Diesmal reicht es vielleicht noch für einen Sieg. ... Doch es ist ganz sicher, dass die PiS die Zukunft verloren hat: Sie wird nur noch von den Wählern der Vergangenheit unterstützt - sowohl im ideologischen als auch im biologischen Sinne.“