Brüssel verliert Steuerstreit mit Apple
Apple muss nun doch keine Rekord-Steuernachzahlung in Höhe von 13 Milliarden Euro leisten. Ein EU-Gericht in Luxemburg erklärte die Nachforderung der EU-Kommission für nichtig: Sie habe nicht nachweisen können, dass die von Irland gewährten Steuervergünstigungen für den US-Konzern eine ungerechtfertigte staatliche Beihilfe darstellten. Kommentatoren zufolge ist dies für die EU ein schwerer Schlag.
System voller Schlupflöcher
Der Double Irish-Strategie, die sich zur Steuervermeidung Briefkastenfirmen bedient, ist schwer beizukommen, bedauert Corriere della Sera:
„Der Double Irish hat gewonnen. Die Vizepräsidentin der Europäischen Kommission, Margrethe Vestager, hat verloren. Nun bleibt zu verstehen, was die Entscheidung des Europäischen Gerichts nicht nur für Apple bedeutet, sondern auch für Amazon, Microsoft, Facebook, Google und - wenn auch in geringerem Maße - für viele Industrieunternehmen. ... Können sie wirklich nicht von den Steuerbehörden belangt werden? Tatsächlich ist die Steuertechnik, die das Kernstück des irischen Systems bildet und im Berufungsverfahren untersucht wurde, so kompliziert, dass sie viel Raum für subjektive Beurteilungen lässt.“
Die Niederlage als Chance nutzen
Das Urteil erhöht den Druck auf Europa, meint Der Standard:
„Eine Ausrede, mit der energisches Handeln in Europa auf die lange Bank geschoben wurde, gilt derzeit noch weniger denn je: das Argument, dass ein neues Steuersystem nur auf globaler Ebene sinnvoll sei. Denn auf dieser Stufe haben die USA längst die Gespräche verlassen, weshalb die Hoffnung auf internationalen Konsens eine Illusion ist. … Wenn die Union Wege gegen Gewinnverschiebung und Steuerdumping findet, kann sie nicht nur für mehr Gerechtigkeit sorgen, sondern auch als solidarische, starke Gemeinschaft Flagge zeigen. Voraussetzung dafür wäre freilich ein Zurückdrängen von Egoismen und Kleinstaaterei. Sollte das gelingen, würde sich der Fall Apple als heilsamer Schock für die EU erweisen.“
Einstimmigkeitsprinzip blockiert die EU
Die von Brüssel angestrebte Reform des EU-Steuerrechts hält La Vanguardia für unwahrscheinlich:
„Sie ist zum Scheitern verurteilt. Und zwar, weil jede Änderung im EU-Steuerrecht die Einstimmigkeit der 27 Mitglieder voraussetzt. Die einzige Lösung bestünde in der Änderung des Artikels 116 des EU-Vertrags, um steuerrechtliche Fragen mit qualitativer Mehrheit verabschieden zu können. ... Doch diese Änderung hat wenig Aussicht auf Erfolg. Nicht zuletzt wegen der radikalen Gegnerschaft durch den neu gewählten Eurogruppen-Chef, den irischen Finanzminister Paschal Donohoe, der das Urteil öffentlich gelobt hat. Derweil nutzen die großen US-Technologiekonzerne wie Apple, Google, Facebook, Amazon oder Microsoft die europäische Uneinigkeit auf ungerechte Weise aus.“
Der Kampf geht weiter
Dass Brüssels Kampf für mehr Steuergerechtigkeit trotz dieser Niederlage nicht am Ende ist, hofft NRC Handelsblad:
„So vielversprechend das Vorgehen auch schien, in den vergangenen Jahren konnten die Beschlüsse der Kommission vor dem Gericht in Luxemburg wiederholt nicht verteidigt werden. Auch wenn die Richter anerkennen, dass Steuerdeals über das Wettbewerbsrecht angegangen werden können - der Kommission gelingt es bis dato nicht, genügend Beweise für eine unehrliche Staatsunterstützung zu liefern. ... Der Rückschlag mag nun hart sein, doch das heißt nicht, dass der Kampf für 'ehrliche Steuern', den Brüssel führen will, damit endet. Die Corona-Krise und die drohende Rezession haben das Thema wieder ganz nach oben auf die europäische Tagesordnung gesetzt.“