Erdgasstreit: Nach der Eskalation der Dialog?
Nachdem die Spannungen mit Griechenland zwischenzeitlich in militärische Drohgebärden gemündet waren, hat Ankara seine Erdgasbohrungen im östlichen Mittelmeer ausgesetzt. Das türkische Forschungsschiff 'Oruc Reis' liegt wieder im Hafen von Antalya, Griechenland zog Marine-Einheiten zurück. Laut Medienberichten haben bereits Beratungen zwischen Ankara und Athen begonnen. Anerkennendes Nicken auf Seiten der Kommentatoren.
Verhandlungen sind das einzig Sinnvolle
Milliyet erklärt die tieferliegenden Gründe für die aktuellen türkisch-griechischen Spannungen:
„Die Türkei verteidigt ihr Recht auf seismische Forschung damit, dass die griechischen Inseln keinen Festlandsockel haben und dass das Meer drum herum damit zum anatolischen Festland gehöre. Griechenland dagegen schiebt vor, dass es das Hoheitsrecht um seine Inseln herum besitze (inklusive der von der Türkei nur zwei Meilen entfernten Insel Kastellorizo). Diese entgegengesetzten Positionen ergeben sich aus der einzigartigen Geographie der Ägäis, einem Meer voller Inseln. Griechenland zufolge gewährt die UN-Seerechtskonvention von 1982 den Inseln das entsprechende Recht. ... Die Türkei war damals eines von vier Ländern, die dieses Abkommen nicht unterzeichnet haben. ... Die Konvention empfiehlt jedoch, dass die Parteien im Konfliktfall verhandeln sollen. Genau das tut man jetzt.“
Das Wohl des Landes über alles stellen
Nun braucht die Regierung in Athen die Rückendeckung der Bevölkerung, erklärt Kathimerini:
„Wenn Griechenland in einen Dialog mit der Türkei tritt - mit Bundeskanzlerin Angela Merkel in der Schlüsselrolle der Vermittlerin -, muss jeder in Griechenland diese Gelegenheit nutzen. Politische Parteien sollten nicht versuchen, die Situation zum eigenen Vorteil auszunutzen. Dafür sind die Beziehungen zur Türkei zu wichtig. Sie sind viel wichtiger als Persönlichkeiten, Parteien und Regierungen. Anders als der Namensstreit [über Mazedonien] haben sie Folgen auf existenzieller Ebene. Ein Fehler einer Regierung wird die Arbeit der nächsten viel schwieriger machen und letztendlich dem Land Schaden zufügen. Daher muss jeder, der ein Gefühl patriotischer Pflicht hat, die Regierung unterstützen.“
Zypern wird sich wohl kaum isolieren
Nun wird auch Nikosia den Weg des Dialogs mit Ankara einschlagen müssen, vermutet Cyprus Mail:
„Vielleicht ist Griechenland zum Entschluss gekommen, dass der Dialog eine bessere Möglichkeit bietet, seine Differenzen mit der Türkei zu lösen als die Verhängung von Sanktionen. Denen stehen viele EU-Mitgliedstaaten skeptisch gegenüber, und auch die deutsche Ratspräsidentschaft lehnt sie ab, da sie ihre Pläne für einen Dialog zwischen der Türkei und der EU, unter anderem zur Migration, durchkreuzen würde. … Tatsache ist, dass die EU, die Uno und die meisten anderen Staaten, zu Recht oder Unrecht, die Position der Türkei akzeptiert haben, dass eine Einigung im Zypernkonflikt die Streitigkeiten über die zyprische Ausschließliche Wirtschaftszone (AWZ) lösen würde. Griechenland hat den Dialog statt Sanktionen gewählt, und Zypern wird bald unter dem Druck stehen, dasselbe zu tun.“
Ankara kann ungestört agieren
Athen wird von der EU, der Nato und den USA mit den Provokationen allein gelassen, kritisiert To Vima:
„Seit einigen Jahren stoßen die Forderungen Griechenlands nach Sanktionen gegen die Türkei auf taube Ohren. Die griechischen Reaktionen auf die eskalierende türkische Provokation scheinen unsere europäischen Partner nicht zu bewegen. Bestenfalls beschränken sie sich auf allgemeine und lauwarme Empfehlungen. … Alle, sowohl die EU als auch die Nato und die USA, verfolgen aus ganz eigenen Gründen eine Beschwichtigungspolitik, deren Ergebnisse wir jeden Tag sehen. Erdoğan nutzt die Passivität der großen Mächte und die weitreichenden Umstrukturierungen auf dem geopolitischen Schachbrett der Welt und agiert nahezu ungestört.“
Erdoğan will seine Popularität retten
Der türkische Präsident sieht sich gezwungen, nationalistische Töne anzuschlagen, um an der Macht zu bleiben, beobachtet Polityka:
„Warum unterstützt Erdoğan solche Ideen? Weil er sie als politische Rettung für sich selbst sieht. Anders, als es scheinen mag, beruhte seine politische Dominanz in der Türkei mehr auf einem erstaunlichen wirtschaftlichen Erfolg als auf konservativer Politik. Dies ist heute deutlich sichtbar, denn seit Beginn der wirtschaftlichen Probleme hat die Popularität Erdoğans und seiner Partei deutlich abgenommen. Kühle Berechnungen spielen eine wichtige Rolle: Erdoğan hätte die letzten beiden Wahlen nicht gewonnen, wenn nicht das Bündnis mit den Nationalisten gewesen wäre, gegen die er zu Beginn seiner Regierungszeit noch gekämpft hatte.“