Lukaschenka schlägt Verfassungsreform vor
Aljaksandr Lukaschenka hat am Montag erstmals offen eingestanden, dass das Regime in Belarus autoritäre Züge trägt und auf die Person des Präsidenten fokussiert sei. Er schlug vor, eine Verfassungsreform einzuleiten, die von Spezialisten und Verfassungsrichtern ausgearbeitet werden soll - von einem Dialog mit der Opposition war nicht die Rede. Beobachter sind skeptisch.
Hinhaltetaktik für die Opposition
Radio Kommersant FM betrachtet das Gerede über eine Verfassungsänderung als Ablenkungsmanöver:
„Lukaschenka wird allerlei progressive Erklärungen abgeben, über Veränderungen philosophieren und darüber, ob es nicht Zeit wäre, die Präsidentenmacht einzuschränken. Und damit hat es sich. Die Opposition wird fragen: Wo bleiben die Veränderungen? Und die Staatsmacht antwortet, man arbeite doch an einer neuen Verfassung. ... Belarus' neue Verfassung dient nur als Garantie für Lukaschenkas sicheren Abgang. Deshalb stellt sich ihm jetzt die Aufgabe, deren Annahme möglichst lange herauszuzögern und solange mit Demagogie und den Staatsorganen den Protest zu bekämpfen.“
Ein Flirt mit dem Westen
Möglicherweise will Lukaschenka sich dem Westen wieder andienen, mutmaßt der Kolumnist Mečys Laurinkus auf Lrytas:
„Mich würde es nicht überraschen, wenn Lukaschenka jetzt wieder ein Spiel mit dem Westen anfängt. Und ein Erfolg ist auch nicht ausgeschlossen. Von Sanktionen redet die EU bis jetzt nur. Komisch klang der französische Präsident Macron, als er von Belarus wie von einer neuen Ukraine sprach. Deutschlands Position ist auch unklar. Die Ukraine benimmt sich sehr vorsichtig. ... Es ist eine falsche Hoffnung zu denken, dass ein militärisch ausgerüsteter Lukaschenka nur an seinem Fenster steht und beobachtet, ob ein Angriff auf ihn zurollt. Lukaschenkas Ende an der Macht ist abzusehen, doch er selbst gibt sich dafür mehr Zeit als der oppositionelle Koordinierungsrat oder die Kolumnisten.“
Der Präsident zeigt Schwäche
Die Wochenzeitung Polityka sieht Lukaschenka in der Defensive:
„Nichts deutet darauf hin, dass die Proteste aufhören werden. Wenn Lukaschenka nicht mit etwas Neuem aufwartet, könnten sie sogar wieder anwachsen, weil die Menschen erkennen, dass die Staatsmacht auf dem Rückzug ist. Das entgeht auch den Sicherheitskräften nicht. Auch Lukaschenkas wiederholte Auftritte mit Kalaschnikow sind eher kontraproduktiv. Ein selbstbewusster Herrscher, der alles im Griff hat, braucht solche Szenen nicht. Genauso wenig wie regelmäßige Anrufe bei Putin, den er noch vor drei Wochen der Verschwörung mit der Opposition bezichtigte.“