US-Wahlschlacht: Blaupause für Europa?
Nachdem Donald Trump sich am Mittwoch vorzeitig zum Wahlsieger erklärt hatte, hat ihm aus Europa nur Sloweniens rechtsnationaler Premier Janez Janša gratuliert. Ob der Rechtsbruch Trumps in Europa Schule machen könnte und was Niederlage oder Sieg des Trumpismus auch sicherheitspolitisch für die EU bedeuten, beschäftigt die Kommentatoren.
Wir sind nicht immun
Es ist naiv zu glauben, dass eine ähnliche Entwicklung wie in den USA diesseits des Atlantiks unmöglich ist, warnt der Chefredakteur des Cicero, Christoph Schwennicke:
„Eine Figur wie Trump ist hierzulande ... weit und breit nicht zu sehen. Aber es gibt Leute, die ihn zum Vorbild nehmen. Der britische Ex-Ukip-Chef und enge Trump-Buddy Nigel Farage zum Beispiel. Gestern noch Ukip und Brexit, heute Anti-Corona-Parteigründer. ... Und wenn man [die AfD-Abgeordnete] Beatrix von Storch etwa in den Nachrichten erlebt, die den Politikstil und das Politikziel (Wir zuerst!) von Donald Trump zur Nachahmung empfiehlt, wenn man die Kommentare von Trump-Anhängern im Netz liest, die ihn auch angesichts dieses Schauspiels noch verteidigen, dann deutet das leider daraufhin, dass auch der europäische Kontinent und Deutschland nicht immun sind gegen das, was sich da gerade in den USA abspielt.“
Um Souveränisten wird es einsam
Eine Niederlage von Trump würde so manch einen in Europa kalt erwischen, analysiert die Brüssel-Korrespondentin Angela Mauro in HuffPost Italia:
„Ohne Trump im Weißen Haus wären die europäischen Souveränisten ein wenig einsamer. Angefangen bei dem der großen Masse nahezu unbekannten [slowenischen Premier] Janša über den Ungarn Viktor Orbán bis zum Polen Jarosław Kaczyński. Vor allem aber Marine Le Pen, und dies weniger als zwei Jahre vor der Präsidentschaftswahl in Frankreich. Allesamt sind sie Führungspersönlichkeiten, die einen internationalen Bezugspunkt verlieren würden, der in einer globalen und vernetzten Welt wichtig ist. Und selbst der Brite Boris Johnson würde sich etwas einsamer fühlen, er, der den Brexit anführt, der 2016, also im selben Jahr wie der Trumpismus geboren wurde, und der just zum Ende der Amtszeit von Trump über die Bühne geht.“
Die USA bleiben an unserer Seite
Wer immer am Ende gewinnt, Litauen und Europa müssen nicht um ihre Partnerschaft mit Washington bangen, glaubt der Politologe Linas Kojala in Delfi:
„Die US-Wahl hat die Aufmerksamkeit der ganzen Welt auf sich gezogen, weil sie eine globale Auswirkung hat. Aber Litauen muss sie aus der Perspektive eines Alliierten beobachten. Wer auch immer zum alten/neuen US-Präsidenten wird: Die Strategie des Landes seinen Freunden gegenüber wird sich nicht rasant ändern. Die Essenz der Allianzen ist ihre Langlebigkeit; wir müssen uns aufeinander verlassen und über die Grenzen einzelner Persönlichkeiten hinwegschauen. Wir haben keinen Grund daran zu zweifeln, dass ungeachtet des endgültigen Wahlresultats die USA mit uns auf der selben Seite stehen.“
Rückkehr zu altem Bündnis illusorisch
Kolumnist Pierre Haski erteilt in France Inter all denjenigen eine Absage, die glauben, mit Joe Biden wären die USA wieder der Sicherheitsgarant und Europa könnte in ihre schützenden Arme zurückkehren:
„Das ist zweifellos eine Illusion. Zum einen, weil die USA sich verändert haben und nicht mehr bereit sind, die gleiche internationale Rolle einzunehmen. Und zum anderen, weil Europa seine Ambition nicht auf die Rolle eines 'Juniorpartners' reduzieren kann, in einem Bündnis, dessen 'Boss' nicht mehr so motiviert ist. Das strittige Wahlergebnis wird zumindest etwas Gutes haben: Es wird die Europäer vor ihre Verantwortung stellen. Und diese Lehre gilt unabhängig davon, wer letztlich siegt.“