Wann werden die Schulen wieder geöffnet?
In vielen Ländern Europas sind Schulen und Unis nach den Weihnachtsferien ganz oder teilweise geschlossen geblieben. Die Entscheidung darüber, wann und in welchem Umfang wieder Präsenzunterricht stattfindet, wird meist nach dem aktuellen Infektionsgeschehen getroffen. Viele Kommentatoren halten den Umgang mit Kindern und jungen Menschen für ignorant.
An die Kinder wird zuletzt gedacht
Wie mit den Schulkindern in der Krise umgesprungen wird, ist entsetzlich, meint The Observer:
„Während Kinder von den unmittelbaren gesundheitlichen Folgen von Covid meist verschont bleiben, werden sie am schlimmsten unter den Langzeitfolgen der Pandemie zu leiden haben. Die Auswirkungen von Monaten ohne Schule, verbunden mit einer durch Covid hervorgerufenen finanziellen Notlage, werden Kinder aus einem sozial benachteiligten Umfeld am stärksten spüren. Es wird für ihr wirtschaftliches, körperliches und seelisches Wohlbefinden lebenslang Folgen haben. Aber die Regierung hat fast nichts unternommen, um dem entgegenzuwirken. ... Stattdessen hat sie es Lehrern so schwierig wie möglich gemacht, sich anzupassen und nur vage Leitlinien veröffentlicht sowie schwierige Entscheidungen auf den letzten Drücker getroffen.“
Rein politische Entscheidungen
Um das Kindeswohl geht es gar nicht, wenn die ungarische Regierung die Schulen geöffnet halten möchte, klagt Népszava:
„Bei den Entscheidungen berücksichtigt die Regierung nur, welches Risiko diese für ihre eigene Popularität darstellen. ... Kindergärten und Grundschulen sind allein aus dem Grund nicht geschlossen, dass so ein Schritt unter den Eltern und Arbeitgebern sehr unpopulär wäre. ... Auch die Wirtschaft würde an den Folgen leiden. … Um verantwortungsvolle, schwierige fachliche Entscheidungen geht es gar nicht. Es geht ausschließlich um politische Entscheidungen.“
Tortur für Studierende
Nicht nur Schulkinder sind vom Unterrichtsausfall betroffen, erinnert Le Monde:
„Was wird der Generation der Studierenden, die trotz der Pandemie versuchen, ihr Studium fortzusetzen, in Erinnerung bleiben? Isoliert in beengten Wohnungen oder gezwungen, ins Elternhaus zurückzukehren, aufgrund der Kontaktbeschränkungen sich selbst überlassen, machen junge Menschen eine Tortur durch, aus der sie keinen Ausweg sehen. In Ermangelung von Perspektiven macht sich Erschöpfung breit, die Angst vor dem Versagen ist allgegenwärtig, Depressionen drohen. ... Diese Schwierigkeiten sind allen Hochschulen auf der ganzen Welt gemein. Aber in Frankreich sind sie besonders schlimm, wegen des Mangels an politischen Visionen und Ambitionen. ... Wieder einmal zeigt die Pandemie bereits vorhandene Schwächen auf und macht die strukturellen Schwierigkeiten der Universitäten sichtbar.“
Die Kleinsten tragen die größte Last
Die Kinder werden bei den neuen Kontaktbeschränkungen überproportional in die Pflicht genommen, kritisiert das Handelsblatt:
„Während Schulen und Kitas zu sind, sollen Erwachsene weiterhin täglich in vollen Bussen und Bahnen in die Großraumbüros fahren. In ihrem Beschluss konnten sich Merkel und die Ministerpräsidenten erneut nur zu einer unverbindlichen Bitte zu mehr Homeoffice durchringen. Arbeit zu Hause sei nicht immer so leicht umzusetzen, heißt es zur Begründung. Das ist bemerkenswert: Denn bei den Schulen nimmt man es gleichgültig hin, dass der Distanzunterricht nicht ansatzweise funktioniert. ... Über den Grund, warum die Politik erneut die Krisenlasten auf die Kinder abwälzt, lässt sich nur mutmaßen. Am plausibelsten erscheint: Sie beschweren sich nicht so laut wie Erwachsene. Und sie dürfen nicht wählen.“
Zickzack-Kurs ist notwendig
Der Nordschleswiger zeigt Verständnis für die oft kurzfristigen Änderungen:
„Viele sind diesen Zickzack-Kurs leid, doch was ist die Alternative zum ständigen Abwägen der Maßnahmen? Sich einmal festzulegen und dann von diesem Kurs nicht abzuweichen? Das haben verschiedene Länder versucht - ohne Erfolg. Daher ist der einzig richtige Kurs, sich ständig den neuen Gegebenheiten, Erfahrungen und dem Wissensstand anzupassen. Und auch dann kann man es nicht allen recht machen. ... Ist es verwirrend? Zu Zeiten schon, doch auf der anderen Seite ist es nicht schwer zu verstehen, dass wir uns jetzt nur zu fünft versammeln dürfen statt zu zehnt. ... Dass jetzt die Schulkinder zu Hause bleiben müssen - und die Kindergartenkinder falls möglich. Natürlich bekommen wir das hin - aber es verlangt von uns allen ein wenig Umdenken im Alltag.“
Schließungen sind alternativlos
Die irische Regierung will am heutigen Mittwoch entscheiden, ob die Schulen bis Ende Januar geschlossen bleiben. Daran führt wohl kein Weg vorbei, meint The Irish Independent:
„Es ist nicht so, dass Schulen aus gesundheitspolitischer Sicht ein besonders großes Risiko darstellen würden, wie Gesundheitsministerin Norma Foley bei einem Treffen mit Abgeordneten der Opposition klarstellte. Das Problem sind die Folgewirkungen der Offenhaltung von Schulen und die Art und Weise, wie sich die Krankheit von einem Haushalt zum nächsten ausbreitet, wenn Kinder nach Hause gehen. Die Gewerkschaften sorgen sich mehr und mehr um die Sicherheit ihrer Mitglieder. Und niemand hat etwas davon, sich gegen sie zu stellen, nach dem, was die Pädagogen vergangenes Jahr geleistet haben.“
Eine Zumutung für Eltern und Kinder
In Österreich ist unklar, wann der Präsenzunterricht wieder losgeht - für den Standard inakzeptabel:
„Eine Woche mehr oder weniger Homeschooling, über die nun Unklarheit herrscht, ist ja nicht nichts. Der Alltag gehört umorganisiert, der Dienstplan adaptiert, um alles unter einen Hut zu bekommen. Berufliche Telefonate im Homeoffice zum Beispiel müssen so gelegt werden, dass sie zum Rhythmus des Kindes passen. ... Vorräte müssen so eingekauft werden, dass den Kindern mittags ein Essen auf den Tisch gestellt werden kann, das sie sonst in Schule oder Hort zu sich nehmen. ... Ja, in einer Pandemie ist Flexibilität erforderlich - noch dazu, wenn Virusmutationen auftauchen, die für Kinder eine verstärkte Bedrohung sein dürften. Eltern und Kinder in jeder Kommunikation mitzudenken, die es hinsichtlich Verschärfungen oder Lockerungen im Lockdown gibt, ist trotzdem das Mindeste.“
Reine Improvisation
Der Schriftsteller Paolo Giordano wirft Italiens Regierung in Corriere della Sera Planlosigkeit vor:
„Warum öffnen die Gymnasien am 11. Januar und nicht am 7. Januar? Und warum dann nicht am 18. oder erst am 1. Februar? … Mit welchen Projektionen, welchen Modellen werden diese Szenarien formuliert? ... Wetten, dass der wissenschaftlich-technische Ausschuss und die Regierung die aktuellen Ferien als eine Wundertüte betrachten, aus der von allem ein bisschen herauskommen könnte? ... Ein Rückgang der Infektionen (wie die Daten zur Mobilität hoffen lassen), oder im Gegenteil eine Zunahme (was die Familientreffen und die fehlende Kontrolle der eigenverantwortlichen Quarantäne befürchten lassen). ... Sie haben keinen blassen Schimmer. ... Also warten wir, und je nachdem, was dabei herauskommt, handeln wir.“