G7: Durchbruch für weltweite Steuergerechtigkeit?
Die Finanzminister der G7-Länder haben sich am Samstag auf eine globale Mindeststeuer von 15 Prozent geeinigt. Multinationale Konzerne sollen vermehrt dort Steuern zahlen, wo sie Umsätze erzielen, statt wie bisher nur am Firmensitz. Teilnehmer des Treffens feierten den Beschluss als historische Reform. Kommentatoren erkennen dies an, einige zweifeln jedoch, ob sich Steuervermeidung so wirklich eindämmen lässt.
Ein Schritt in die richtige Richtung
The Guardian ist vorsichtig optimistisch:
„Der Teufel wird im Detail stecken. Die 15 Prozent Mindeststeuer liegen nicht wesentlich über den derzeit niedrigen Steuersätzen in Ländern wie Irland oder der Schweiz und deutlich unter den 21 Prozent, auf die US-Präsident Joe Biden abzielte. Nichtsdestotrotz wird endlich ein wichtiges Prinzip von staatlicher Zusammenarbeit etabliert, durch das ein Gefühl der politischen Kontrolle über die Handlungen der globalen Wirtschaftselite hergestellt wird. Dass der Wandel plötzlich möglich war, liegt an mehreren Faktoren: Schulden, die Regierungen im Zuge der Pandemie angehäuft haben, führten in Kombination mit dem Lockdown-Boom, den viele große Tech-Firmen erlebten, dazu, dass alle konzentriert bei der Sache waren.“
Absage an Populismus und Egoismus
Für La Repubblica hat der Beschluss eine Signalwirkung weit über die Besteuerungsfrage hinaus:
„Technisch gesehen ist die am Samstag von den G7-Finanzministern erzielte Einigung über die Besteuerung multinationaler Unternehmen nur ein Teil des Puzzles, wie man große Unternehmen besteuern und Steueroasen verdammen kann. … Doch in einem weiteren Sinne ist die Übereinkunft der sieben Großen der Weltwirtschaft eine kraftvolle Absage an die populistische, egoistische und hegemoniale Politik, die die internationalen Beziehungen in den letzten Jahren geprägt hat.“
Multis müssen sich kaum anpassen
Für De Volkskrant wäre Jubel jetzt etwas voreilig:
„Da ist zunächst der Mindestsatz von 15 Prozent: Das ist niedrig. ... Dann ist da die Verteilung des erwarteten Ertrages, die wohl auch zu einem kräftigen Kater führen wird. Die G7-Einigung sagt nämlich, dass 20 Prozent der Gewinnsteuer auf die betroffen Länder verteilt werden, die übrigen 80 Prozent aber darf der Konzern genau wie jetzt dort [besteuern] lassen, wo es für ihn am besten ist. ... Wenn im Herbst alle Länder und Organisationen die Vereinbarung übernehmen, dauert es noch ein paar Jahre, bis die 15 Prozent Gewinnsteuern effektiv auch eingefordert werden. Die ersten Reaktionen von Amazon, Google und Facebook zeigen denn auch Zufriedenheit.“
15 Prozent sind zu wenig
Für die taz ist die Reform ein schaler Kompromiss:
„Der Steuersatz von 15 Prozent ist eindeutig zu niedrig. Frankreich hat zwar durchgedrückt, dass ein 'mindestens' davorsteht, aber die Gefahr ist groß, dass die neue Globalsteuer wie eine Absolution wirkt und weltweit den Eindruck erweckt, als sei den Unternehmen mehr nicht zuzumuten. US-Finanzministerin Janet Yellen hatte einen Steuersatz von 21 Prozent vorgeschlagen. Das wäre deutlich besser gewesen.“
Quasi in Stein gemeißelt
Statt zu einer Mindestgrenze drohen die 15 Prozent zum globalen Standard zu werden, mahnt auch Mediapart:
„Viele Organisationen fürchten bereits, dass der Satz von 15 Prozent in allen Ländern die Norm wird, da er die Regierungen verpflichtet, sich eine nach der anderen an diese Zahl anzupassen und auf unabkömmliche Steuereinnahmen zu verzichten. Besonders groß ist die Gefahr für viele Schwellenländer, die den Großteil ihrer Haushaltsmittel aus Bergbau und Mineralgewinnung schöpfen. … Die Möglichkeit, den Satz ändern zu können, ist äußerst gering. Denn indem die G7-Finanzminister sich schon beim ersten Treffen darauf geeinigt haben, diese Zahl anzukündigen, haben sie sie in gewisser Weise in Stein gemeißelt.“
Politik hat Zügel wieder in der Hand
Trotz aller Kritik ist die Einigung ein historischer Durchbruch, lobt De Standaard:
„Es ist vorbei mit America first, der Westen ist zurück im Geschäft, der Multilateralismus lebt auf. Die politischen Regierungen haben erneut die Zügel in den Händen auf Kosten der Multinationals, die wie verrückt lobbyieren. Das Abkommen kann auch die Europäische Union einen. Die 27 Mitgliedsstaaten stöhnen unter dem gegenseitigen Steuerwettbewerb, der Zwang zur Einstimmigkeit blockierte bisher jeden Fortschritt. ... Und es gibt nun Aussicht auf ein ehrlicheres Steuer- und Verteilungssystem. In Zeiten von aufkommendem Populismus ist das kein überflüssiger Luxus.“