Biden trifft Erdoğan: Hat's was gebracht?
Nachdem Recep Tayyip Erdoğan in den Beziehungen zum Westen zuletzt viel Porzellan zerschlagen hatte, versuchte er sich beim Nato-Gipfel als Brückenbauer. US-Präsident Joe Biden nannte sein Treffen mit Erdoğan positiv und produktiv – nachdem er ihn zuvor als "Autokraten" bezeichnet und den Genozid an den Armeniern anerkannt hatte. Kommentatoren sind skeptisch.
Endlich ein Wendepunkt
Für Daily Sabah hat das Treffen erfüllt, was von ihm erwartet werden konnte:
„Niemand hatte erwartet, dass alle Probleme zwischen den beiden Ländern gelöst werden. Die hauptsächliche Erwartung war, den Kurs der bilateralen Beziehungen zu ändern. Mit anderen Worten, das Hauptziel des Treffens war es, die Eskalation der Spannungen zu stoppen und eine positive Agenda festzulegen. Es sieht so aus, als wäre dieses Ziel erreicht. Deshalb kann dieses Meeting als ein Wendepunkt in den türkisch-amerikanischen Beziehungen angesehen werden.“
Keine Imagepolitur für den "Sultan"
Darauf, wie der türkische Präsident weltweit wahrgenommen wird, hatten die Treffen dieser Woche keinen Einfluss, kommentiert Yetkin Report:
„Eine der Erwartungen Erdoğans war auch, sein Image als 'Autokrat', als 'Sultan', das sich in den letzten Jahren immer mehr manifestiert hat, durch Signale des Konsenses mit Europa und den USA zu entkräften. Doch man kann nicht sagen, dass er es geschafft habe. ... Es stimmt schon, dass der Präsident auf seiner Brüssel-Reise eine Reihe von wichtigen Gesprächen geführt hat, auch hinsichtlich der Bedeutung, die der Türkei beigemessen wird, doch man kann nicht sagen, dass Erdoğan das bekommen hat, was er sich persönlich erhoffte.“
Versöhnungsgesten statt Macho-Gehabe
Der Journalist Ovidiu Nahoi stellt bei Radio France Internationale in Frage, ob Erdoğans Differenzen mit der westlichen Welt hauptsächlich auf regionalen Interessen beruhen:
„Die Frage ist, ob es nicht einen tieferen Grund gibt - den 'Macho'-Stil autoritärer Anführer. Sie wollen ständig im Konflikt mit der ganzen Welt sein, sie sagen immer, dass ihnen Unrecht geschieht, und sie schüren immer die Vorstellung von Gefahren, die von allen Seiten kommen. Sie unterhalten auf diese Weise in ihren Ländern einen Zustand der permanenten Angst, ein Gefühl, das sie dann gegen alles instrumentalisieren, was sie als Opposition begreifen - Politiker, NGOs, unabhängige Presse. Wenn Präsident Erdoğan seinen Worten jetzt Taten folgen lassen will, muss er von seinem 'Macho'-Stil auf versöhnlich umschalten. Was eben nicht einfach ist für einen Anführer seiner Art.“