Südeuropas Küste in Flammen: Was tun?
In Griechenland, der Türkei und Italien kämpfen die Menschen weiter gegen unzählige unkontrollierte Waldbrände. Immer wieder müssen Orte evakuiert werden, einige der wertvollsten Waldbestände und landwirtschaftlichen Nutzflächen im Mittelmeerraum wurden zerstört. Entspannung ist nicht in Sicht, denn die nächste Hitzewelle mit Temperaturen über 40 Grad steht bereits bevor.
Flüchtlinge sind nicht mehr die anderen
To Ethnos schreibt über die Hunderte von Menschen in Griechenland, die in den letzten Tagen ihre Wohnung und ihre Arbeit verloren haben:
„Im Jahr 2021 haben wir offiziell die ersten griechischen Umweltmigranten. ... Mehr als 2.700 Menschen haben sich in den letzten zehn Tagen beeilt, das mitzunehmen, was sie tragen konnten, und haben ihr Leben hinter sich gelassen, um Boote und Fähren zu besteigen. ... Es sind vertriebene Griechen. Nun sind es nicht mehr die Ausgestoßenen oder die Ungewaschenen oder die Ausländer, wie Faschisten und Rassisten bislang diejenigen behandelt haben, die umziehen, weil ihr Leben bedroht ist. Sondern es sind jetzt Tante und Großvater.“
Wir können nicht alle weglaufen
Beim Räumen vom Feuer bedrohter Orte sollte die griechische Regierung mehr Augenmaß haben, fordert das Webportal In:
„Evakuierungen retten Leben. Aber die Bürger können und müssen helfen, Brände zu löschen... Evakuierungen sind für die 'Zivilbevölkerung' notwendig. Die übrigen Bürger werden für die Brandbekämpfung gebraucht und müssen in Zusammenarbeit mit der Feuerwehr zurückbleiben. ... In den Dörfern, in denen man ungehorsam war und die Einwohner am Kampf gegen das Feuer teilgenommen haben, wurden Grundstücke, Ernten und Häuser gerettet.“
Help Greece! Auch aus der Türkei!
Die Feuer auf beiden Seiten der Ägäis dürfen nicht politisch instrumentalisiert werden, mahnt die religiös-konservative Tageszeitung Milat:
„Die Pflanzen und Tiere, die verbrennen, sind auch ein Teil der Lunge der Welt. ... Was bis gestern bei uns brannte, war unser aller Brand. Und nun brennt auch dort [in Griechenland] all das, was für die Menschheit wertvoll ist. Was die griechischen Politiker uns angetan haben und die Probleme in den Türkei-Griechenland-Beziehungen sind ein anderes Thema. Es ist nicht richtig, die dortigen Brände innen- oder außenpolitisch auszuschlachten. Kurzum: Help Greece!“
Das Mittelmeer brennt
Die Dramatik der Brände im Mittelmeerraum skizziert La Repubblica:
„Es scheint fast wie eine Botschaft der Geschichte, eine Erinnerung an die Klimakrise: Der Notfall, der unsere Zukunft verändern wird, ist überall, hier und jetzt. Die Wälder Sardiniens und Siziliens, Zyperns, Albaniens, Marokkos, Mazedoniens und jetzt auch der Türkei und Griechenlands: Der gesamte Mittelmeerraum brennt. … Über 150 Brände haben sich nach einer Woche extremer Temperaturen in Griechenland entwickelt, eine Hitzewelle ohne Pause, wie wir sie bereits von Kanada bis Sibirien erlebt haben. Eines der zentralen Probleme dieses heißen Sommers ist genau das: Hitzewellen halten immer länger an, auf ohnehin schon ausgedorrtem Land, und heiße Winde treiben Flammen an, die sich schnell ausbreiten.“
Auf einen heißen Planeten vorbereitet sein
Extremwetter mit Überschwemmungen, Hitze und Bränden werden zunehmen, ist sich Dagens Nyheter sicher und fordert dringend auch eine Vorbereitung auf die Folgen des Klimawandels:
„Selbst wenn wir das 1,5-Grad-Ziel des Pariser Abkommens erreichen, bedeutet dies einen heißeren Planeten. ... Das bedeutet, dass der Klimawandel nicht nur gestoppt, sondern er pariert werden muss. Sowohl die nationalen als auch die kommunalen Behörden tragen dafür eine große Verantwortung. Liegenschaften müssen an neue Risiken angepasst und Infrastruktur für erhöhte Wassermengen geplant werden. Der Rettungsdienst muss für immer intensivere Brände, Überschwemmungen und Stürme gerüstet sein.“
Feuerprobe für Erdoğan
Für den türkischen Präsidenten könnten die Brände politisch gefährlich werden, glaubt die Badische Zeitung:
„Seine Protz-Paläste und ökologisch schädlichen Prestigeprojekte, das chaotische Corona-Krisenmanagement, nun das flammende Inferno in türkischen Wäldern: Das Land treibt tiefer in den Strudel einer chronischen politischen, gesellschaftlichen, ökonomischen Krise. Viele Türken erinnern sich an die Erdbebenkatastrophe bei Istanbul 1999. Das Totalversagen der damaligen Regierung leitete einen politischen Umbruch ein, der Ende 2002 zu Erdoğans erstem Wahlsieg führte. Er war damals für viele Menschen in der Türkei ein Hoffnungsträger. Jetzt könnte die Brandkatastrophe für ihn zu einer Feuerprobe werden, die über sein politisches Schicksal entscheidet.“
Gleicher Schmerz auf beiden Seiten der Ägäis
Die in Istanbul lebende griechische Journalistin Ariana Ferentinou analysiert in Hürriyet Daily News die sprachliche Beschreibung der Brände in Griechenland und der Türkei:
„Die Naturkatastrophe hat uns gezeigt, dass die Sprachen beider Länder immer noch eine ähnliche Semantik verwenden, um ihre Gefühle auszudrücken. 'Wir sind aus dem gleichen Holz geschnitzt', sagen Griechen und Türken gleichermaßen. ... Die Verwendung so vieler gemeinsamer Ausdrücke in den Medien beider Länder zur Beschreibung einer ähnlichen Katastrophe deutet darauf hin, dass es tiefe Bindungen gibt. Schließlich haben diese beiden Länder jahrhundertelang zusammengelebt und gegeneinander gekämpft.“
Sparzwang war für Umwelt fatal
Die Austeritätspolitik des vergangenen Jahrzehnts ist schuld an den Waldbränden in Griechenland, meint der Umweltaktivist Thanos Andritsos in Anametrisi:
„Alle Regierungen, die nicht ernsthaft in einen verbesserten Waldschutz und eine einheitliche Institution für die Brandbekämpfung investiert haben, sind für die Brände verantwortlich. … Vor allem im letzten Jahrzehnt der Sparmemoranden versuchte man, jeglichen Umweltschutz zunichtezumachen und Investitionen (in Tourismus, Infrastruktur, Energieerzeugung usw.) auf Kosten der Natur zu erleichtern. Das wurde zum politischen Paradigma. Viele Brände wurden zudem durch mangelnde Wartung der Infrastruktur (z. B. des Stromnetzes) sowie öffentliche und private Aktivitäten in Waldgebieten verursacht.“
Unsere Aufgabe ist die Anpassung
El Periódico de Catalunya fragt sich, wann die Menschen die Zeichen der Zeit endlich erkennen:
„Die [Mittelmeer]-Region wird mit am stärksten von den Auswirkungen der globalen Erwärmung betroffen sein. Jüngsten Studien zufolge könnte sich das Brandrisiko um bis zu 64 Prozent erhöhen, wenn die globalen Durchschnittstemperaturen um mehr als zwei Grad Celsius steigen. ... Was muss noch alles passieren, damit wir reagieren, bevor wir einen Punkt erreichen, an dem es kein Zurück mehr gibt? Wir müssen unser gesamtes Produktionssystem, unsere territoriale Organisation und unseren Alltag an eine neue Situation anpassen. Große Investitionen in Infrastrukturen dienen dann nicht mehr dem Wachstum, sondern einzig und allein der Anpassung unserer Lebensweise an die Vorgaben der Umwelt.“
Schlechter Zeitpunkt für Selfies am Strand
Griechenland drohen am Dienstag Höchstwerte von bis zu 47 Grad. Dass manche Politiker dabei vor allem an Urlaub denken, macht Efimerida ton Syntakton fassungslos:
„Das Land befindet sich in einem Feuersturm, dessen Folgen vielfältig und die Risiken für Mensch und Umwelt extrem hoch sind. ... Wenn der Premierminister [Kyriakos Mitsotakis] in einer solch schwierigen Situation für das Land beschließt, Athen zu verlassen um sich zu erholen, zu baden und Fotos mit Badegästen zu machen, müssen wir nicht weiter nach dem Hauptschuldigen suchen. Für das, was gerade passiert, und für das, was noch passieren wird.“
Ankara hat auf ganzer Linie versagt
Gerüchte über Brandstiftung dürfen nicht von der Unfähigkeit der Behörden ablenken, die seit einer Woche tobenden Brände professionell zu löschen, kritisiert T24:
„Zu wenig Strom, zu wenig Schläuche, zu wenig Wasser und dazu Hubschrauber, Löschflugzeuge und Fahrzeuge, die nicht kommen. ... Wenn Sie diese Hilflosigkeit und Einsamkeit sehen könnten, dann würden Sie niemals im Fernsehen oder den sozialen Medien darüber spekulieren, wer das Feuer gelegt hat. ... Ihr einziges Thema wäre und müsste sein, wer das Feuer nicht löschen konnte! ... Vor einem Feuer, das das Land in Trauer versinken lässt und dessen Bekämpfung tagelang unzureichend bleibt, kann sich keine Regierung zurückziehen, indem sie lapidar erklärt 'wir haben keine Flugzeuge'.“
Wie die Kapelle an Bord der Titanic
Wer aus der Vogelperspektive auf die aktuellen Geschehnisse blickt, entdeckt ein bedrohliches Szenario, bemerkt Dennik N:
„Der Wechsel von außergewöhnlichen Niederschlägen mit extremen Dürreperioden in der Slowakei sieht im Vergleich zu dem, was wir nur im letzten Monat weltweit beobachtet haben, noch relativ harmlos aus. Rekordschmelzen der grönländischen Gletscher, fast 50 Grad Hitze in Kanada, eine Milliarde toter Tiere an der Pazifikküste Nordamerikas. In weiten Teilen Sibiriens schmilzt der Permafrost. ... Touristen, die von ihren Hotelstränden Großbrände auf den nahegelegenen Hügeln beobachten, werden zum aktuellen Bild des Sommers in Europa. ... Es erinnert an die Musiker an Bord der Titanic.“
Nicht nur bei Corona auf die Wissenschaft hören
Der genaue Zusammenhang zwischen den aktuellen Wetterphänomenen und dem Klimawandel mag noch nicht glasklar sein, aber die Tendenz ist es, betont The Irish Independent:
„Manche Menschen scheinen sich regelrecht darüber zu freuen, wenn ein Wissenschaftler mit professioneller Ehrlichkeit sagt, dass man dies noch nicht oder nicht mit absoluter Sicherheit sagen könne. Aber Wissenschaftler wussten auch nicht alles über Covid, als es vor unserer Tür stand. Und doch erkannten sie die Tendenz und die wichtigsten Risiken. Und sie arbeiteten unglaublich hart dafür, diese zu minimieren, während sie uns beibrachten, wie wir uns anpassen und schützen können. Sie warnten, wir hörten zu und reagierten. Jetzt müssen wir das Gleiche für das Klima tun.“