Wahlen in Deutschland: Union abgeschrieben?
Noch zweieinhalb Wochen sind es bis zu den Bundestagswahlen. In Umfragen hat die SPD ihren Vorsprung gegenüber der CDU/CSU weiter ausgebaut. Die Sozialdemokraten kommen aktuell auf 25 Prozent, die Union nur noch auf 19. Die Grünen erhielten 17 Prozent Zustimmung. Europas Presse ist skeptisch, dass die Union das Ruder noch rumreißen kann und diskutiert, wie es nach der Wahl wohl weiter geht.
Laschet ist nicht Schröder
Gazeta Wyborcza glaubt nicht an ein Comeback der CDU auf den letzten Metern:
„Können negative Trends drei Wochen vor einer Wahl noch gedreht werden? Vor 16 Jahren ist dies dem damaligen Bundeskanzler Gerhard Schröder von der SPD fast gelungen. Zu Beginn des Wahlkampfes 2005 schien der Triumph der Christdemokraten und ihrer Kanzlerkandidatin Angela Merkel unausweichlich zu sein. Die Partei lag in den Umfragen bei über 40 Prozent und damit 10 Punkte vor der SPD. Am Ende konnte Schröder den Vorsprung durch maximalen Einsatz bis auf einen Punkt verkürzen. Nur war Schröder der Typus des charismatischen Wahlkämpfers, der sich durchsetzen konnte. Das kann man weder von Merkel noch von Laschet sagen.“
Merkel hat die Nachfolgersuche verbockt
Ria Nowosti macht die scheidende Kanzlerin für das Debakel der CDU verantwortlich:
„Sie war es, die es nicht nur versäumt hat, einen würdigen Nachfolger auszuwählen, sondern die auch noch alles tat, damit die CDU/CSU keinen starken Kanzlerkandidaten bekommt. Erst hat sie auf Kramp-Karrenbauer gesetzt und sie zur Parteivorsitzenden mit Kanzlerperspektive gemacht. Doch als Verteidigungsministerin hat AKK alle schnell enttäuscht, man suchte nach Ersatz. ... Und dann setzte Merkel, damit die Partei nicht unter die Kontrolle des 'Fremdlings' Merz kommt, auf Laschet. Der erwies sich als ebenso uncharismatisch wie AKK und versenkte die eigene Partei. Aber ehrlich gesagt: Merkel hat die CDU selbst versenkt - denn es war sie, die mit aller Gewalt ihre Protegés durchzudrücken versuchte.“
Der Scholz-o-mat passt gut zu Deutschland
Les Echos porträtiert SPD-Kandidat Olaf Scholz, der gerade Macron in Paris besucht hat, nicht ohne Augenzwinkern:
„Der uncharismatische Scholz, 63 Jahre alt, führt das Rennen an. Der monotone Tonfall seiner Reden hat ihm den Spitznamen 'Scholz-o-mat' eingebracht, so 'L'Express'. Wir sind nicht hier, um uns zu amüsieren, das hätte Laschet wissen müssen [als er bei der Gedenkrede des Bundespräsidenten im Flutgebiet lachte]. ... Nachdem er 2018 als Finanzminister und Vizekanzler in die Regierungskoalition von Angela Merkel eingetreten war, zerstreute Scholz schnell alle Hoffnungen auf Laxheit, die durch sein SPD-Label geweckt wurden: 'Ein deutscher Finanzminister bleibt ein deutscher Finanzminister.' Das hätte er nicht besser sagen können.“
Ukraine muss sich auf Überraschungen einstellen
Wie sich der Wahlausgang auf die deutsche Außenpolitik in Bezug auf Russland und Ukraine auswirken könnte, analysiert Politologe Wiktor Sawinok in Ukrajinska Prawda:
„Für die Ukraine wäre das beste Szenario, wenn ein Vertreter der Grünen zum Chef des deutschen Außenministeriums ernannt würde. Allerdings können die für Kompromisse mit Russland anfälligen Sozialdemokraten und erst recht die Linken für Kyjiw noch zur echten Herausforderung werden. Doch wie diese Wahlen zeigen, können einige Wochen ausreichen, um alles auf den Kopf zu stellen. Und deshalb ist es nicht ausgeschlossen, dass wir uns noch einige Male über die Wahlen in Deutschland wundern werden.“