U-Boot-Streit: Brüssel springt Paris bei
Die EU hat Frankreich im Streit mit Australien und den USA ihre Unterstützung zugesichert. Im Rahmen des neuen Aukus-Paktes hatte Australiens Regierung einen seit 2016 bestehenden 56-Milliarden-Vertrag über die Lieferung französischer U-Boote gekündigt und will stattdessen Atom-U-Boote aus den USA beziehen. Die EU nannte das Verhalten inakzeptabel. Kommentatoren raten überwiegend, den Ball flach zu halten.
Freundschaft wichtiger als geplatzter Deal
Les Echos befürwortet einen kühlen Kopf:
„Was an dieser U-Boot-Krise am meisten überraschen mag, ist zum einen die Tatsache, dass Frankreich und die Vereinigten Staaten langjährige Verbündete sind, seit über 250 Jahren. ... Zum anderen überrascht diese Krise dadurch, dass sie jetzt kommt, wo Präsident Joe Biden seit acht Monaten die Nachfolge von Donald Trump angetreten hat, von dem man spektakuläre und provokative Ankündigungen gewöhnt war. Hat der neue Präsident nicht immer wieder gesagt, dass er herzliche und stabile Beziehungen zu seinen traditionellen Verbündeten haben möchte? Wir sollten uns jetzt alle erst einmal abregen, denn die französisch-amerikanische Freundschaft ist mehr wert als ein paar U-Boote.“
Macron braucht die EU jetzt
Die Geschichte wird Emmanuel Macron innenpolitisch zu schaffen machen, glaubt Dagens Nyheter:
„Im Präsidentschaftswahlkampf im kommenden Jahr werden Marine Le Pen (und wohl auch der noch rechtsradikalere Eric Zemmour) alte Großmachtzeiten heraufbeschwören und eine drastische Änderung der Außenpolitik versprechen. Schon jetzt wirft [Le Pen] Macron vor, die Lage katastrophal falsch eingeschätzt zu haben. ... Deshalb ist die Unterstützung der EU wichtig für Macron. Er kann es sich nicht leisten, sich gegenüber den USA untertänig oder hoffnungslos isoliert zu zeigen. Die jüngsten Krisen haben ihn in der Ansicht bestärkt, dass es eine EU-Armee braucht, die die Union verteidigen kann - auch ohne die Hilfe der USA.“
Warum mischt sich Brüssel überhaupt ein?
Die EU sollte sich aus dem Streit heraushalten, meint The Spectator:
„Die EU eilt doch auch der Deutschen Bank nicht zu Hilfe, wenn ein Anleihenhandel ins Wasser fällt oder Mercedes ein Auftrag gestrichen wird. ... Das passiert in der Wirtschaft ständig. ... Normalerweise löst so etwas keinen schwerwiegenden diplomatischen Konflikt aus. Tatsache ist: Die EU blamiert sich gerade gewaltig. Sie will eine regelbasierte Organisation sein, die an freien und offenen Wettbewerb glaubt. Stattdessen macht sie sich zum verlängerten Arm der französischen Industriepolitik. ... Was sollen Polen, Spanien oder Tschechien davon haben, wenn Gespräche über einen Handelsvertrag mit Australien abgebrochen werden, um einem französischen Waffenlieferanten zu helfen?“
Anspruch und Realität passen nicht zusammen
Frankreich muss sich der unbequemen Wahrheit stellen, dass es technisch hinterher ist, meint der Europaparlamentarier Arnaud Danjean (EVP) in Le Figaro:
„Wut und die Neubewertung unserer Verpflichtungen gegenüber Verbündeten, die sich so respektlos verhalten, können nicht darüber hinwegtäuschen, dass man hier in sich gehen muss. Nicht nur über die Ursachen dieses diplomatisch-industriellen Desasters muss man nachdenken, sondern auch über das, was es an typisch Französischem offenbart: eine steile Kluft zwischen den Ambitionen, die in allen internationalen Fragen mit Nachdruck verkündet werden, und der Realität unserer Mittel, die große Schwierigkeiten hat, diesen Beschwörungen zu entsprechen.“
Frankreich sollte sich Aukus anschließen
Deník erklärt:
„Dass Australien amerikanische statt französische U-Boote kauft, hat nichts mit Verrat zu tun. Die US-Atom-U-Boote unterscheiden sich technologisch völlig von den konventionellen französischen. Anstelle des großen Aufstands, den Frankreich jetzt angezettelt hat, sollte Paris überlegen, wie es dem Militärabkommen zwischen den USA, Australien und Großbritannien beitreten kann. Frankreich hat keine andere Wahl, wenn es seine Überseegebiete im Pazifik angesichts der chinesischen Expansion verteidigen will. Westliche Demokratien müssen sich zusammenschließen, wenn sie eine Chance haben wollen, Pekings Bemühungen um die Kontrolle des Stillen Ozeans entgegenzuwirken.“