Korruptionsvorwurf: Kann Kurz sich halten?
Österreichs Kanzler Kurz gerät immer weiter unter Druck, nachdem am Mittwoch bekannt wurde, dass die Staatsanwaltschaft gegen ihn und Vertraute wegen Korruption ermittelt. Die Grünen wollen die Koalition nur mit einer anderen Person an der Regierungsspitze fortführen, Kurz will aber nicht weichen. Nun droht ihm ein Misstrauensvotum - und dem Land die dritte Neuwahl innerhalb von vier Jahren.
Ein neuer Kanzler muss her
Die ÖVP sollte die Koalition mit einer anderen Spitzenfigur fortsetzen, fordert der Kurier:
„Kurz ist als Regierungschef nicht mehr tragbar. Das mag einem leidtun (viele werden jubeln), aber es liegt einfach zu viel auf dem Tisch: Kurz hat mutmaßlich unter Missbrauch von Steuergeld die Macht in Partei und Staat übernommen. So lautet der schwerwiegende Vorwurf. Ob er selbst oder seine Getreuen die Rechnungen gefälscht haben, macht zwar strafrechtlich einen Unterschied, politisch aber nicht. Kurz sollte zu seiner Verantwortung stehen und nicht im Abgang die Würde verlieren, indem er sich an seinen Gefolgsleuten abputzt.“
Schon wieder Wahlkampf in Sicht
Österreich steht in jedem Fall eine lange Zeit der Lähmung bevor, fürchten die Salzburger Nachrichten:
„Einigermaßen gesichert ist, dass Kurz nicht freiwillig den Rückzug antreten wird, was Voraussetzung für einen Neustart der Koalition unter einem neuen … Kanzler wäre. … Oder aber, und danach sah es am Donnerstag aus, die Grünen stimmen dem Misstrauensantrag der Opposition zu. Damit wäre nicht nur die Kanzlerschaft Kurz, sondern auch die Koalition beendet, und das wahrscheinlichste Ergebnis wären Neuwahlen. Das würde sechs Monate Wahlkampf bedeuten und, gesetzt den gar nicht so absurden Fall, Sebastian Kurz gewinnt die Wahl, eine unendlich lange Zeit des Sondierens. Denn der ÖVP sind ja mittlerweile die potenziellen Koalitionspartner abhandengekommen.“
House of Cards auf Wienerisch
Die Affäre ist filmreif, findet La Stampa:
„Eine Art House of Cards auf Wienerisch. Die Sache geht auf das Jahr 2016 zurück, als Kurz als junger Außenminister mit großen Hoffnungen die ÖVP für sich gewinnen und wiederbeleben wollte, um dann zu kandidieren. ... Nun wird der Verdacht laut, dass der ehemalige Minister und seine Mitarbeiter öffentliche Gelder des Finanzministeriums verwendet haben, um Umfragen und Werbung im Wert von 1,3 Millionen Euro zu bezahlen, die eine positive Berichterstattung ermöglicht hätten. ... Kurz und seine Mitarbeiter haben das alles angeblich für parteipolitische Zwecke eingefädelt, nur bezahlt wurde es mit öffentlichen Mitteln, da Kurz keinen Zugang zur ÖVP-Kasse hatte.“
Bezahlte Propaganda beenden
Mit öffentlichen Inseraten Medien quasi zu kaufen, hat in Österreich System, erinnert die Süddeutsche Zeitung:
„[A]ber weil alle Regierungen bisher davon profitierten, wurde es nie reformiert. Kanzler Kurz hat so viel Geld über wohlmeinende Medien ausgeschüttet wie vor ihm keiner; er kauft sich seine Popularität damit wohl auch zum Teil. Nun deutet sich an, dass er mit dieser Methode womöglich sogar ins Kanzleramt gekommen sein könnte. ... [G]ut möglich, dass es Neuwahlen gibt. Aber danach muss die Inseratenkorruption abgestellt werden. Sie ist nichts anderes als bezahlte Propaganda.“
Sehr alter Stil
Die Inseratenaffäre könnte das Ende der Karriere von Sebastian Kurz bedeuten, schreibt Die Presse:
„Die nunmehrigen Vorwürfe sind mittels Chat-Protokollen gut untermauert. Die türkise ÖVP steht vor der Implosion, die türkis-grüne Regierung vor der Explosion. ... Wenn Kurz das politisch überlebt - und man fragt sich, wie das gehen soll -, dann hat sich auf jeden Fall der 'neue Stil' der Volkspartei überlebt. Damit wird man nicht mehr weit kommen. Der Staat als Selbstbedienungsladen für eigene Zwecke ist sehr alter Stil.“
Die Staatsanwaltschaft muss jetzt liefern
Die Kleine Zeitung sieht noch Chancen für Kurz' Kanzlerschaft:
„Wenn die Vorwürfe gegen die Regierungspartei, die Hausdurchsuchungen beim Kanzler und zuvor schon beim Finanzminister, wie ein Kartenhaus in sich zusammenfallen, weil Ermittlungen nichts verdichten und Hausdurchsuchungen nichts ergeben, dann hat nicht nur die [Korruptionsstaatsanwaltschaft] WKStA, sondern dann hat die gesamte Justiz, dann hat der Rechtsstaat Österreich ein Problem. Dann könnten Kritiker nämlich den Verdacht äußern, dass die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft nicht auf gesichertem Boden operiert, sondern im Trüben fischt und auf Beifang hofft.“