Demokratischer Aufbruch in Mitteleuropa?
In Tschechien wurde eine Regierung abgewählt, die auf Populismus setzte, was den Slowaken schon vor zwei Jahren gelungen war. In Ungarn könnte sich die Opposition im kommenden Jahr gegen Viktor Orbán und seine antieuropäische Rhetorik durchsetzen. Journalisten schauen darauf, was das für die mitteleuropäischen Staaten bedeutet und was eigentlich die Ursachen der Konfrontation mit der EU sind.
Vom Postkommunismus zu solider Demokratie
Die Schriftstellerin Monika Zgustová erkennt eine erste Schwalbe des demokratischen Frühlings in Polen, Ungarn und Tschechien, wie sie in El País schreibt:
„Mitteleuropa könnte in eine neue Phase eintreten, die das laufende Jahrzehnt prägen könnte: die Phase, in der es den Postkommunismus hinter sich lässt und eine solidere Demokratie beginnt. … Polen wurde nach seiner Rebellion gegen das europäische Recht ordentlich zurechtgewiesen und wird nicht mehr so weitermachen können wie bisher. Und wenn Ungarn die EU-Hilfen nicht verlieren will, muss es seine autokratischen Tendenzen besser kontrollieren. Darüber hinaus werden Polen und Ungarn unter dem Einfluss der tschechischen Ablehnung des Populismus wichtige ideologische Unterstützung in der Region verlieren. … Im Europa der demokratischen Werte werden sie wie zwei schwarze Schafe übrigbleiben.“
Ein Hauch von Wałęsa in Ungarn
Der Regierungswechsel in Ungarn könnte auch deswegen gelingen, weil der Lebenslauf des Spitzenkandidaten so viele Ähnlichkeiten zu einem anderen, historischen Vorbild aufweist, glaubt Polityka:
„Der 1972 geborene Márki-Zay wuchs im Schatten der Polit-Titanen zu einem Spitzenpolitiker heran. Als Vater von sieben Kindern und ehemaliger Angestellter eines Elektrounternehmens könnte er die Rolle von Lech Wałęsa spielen, der [ebenfalls als ausgebildeter Elektriker und Vater von acht Kindern] eine Revolte gegen die Heuchelei und Scheinheiligkeit der Regierung entfachte. Er scheut sich nicht vor blumigen und langatmigen Reden, bei denen er manchmal den Faden verliert oder ins Absurde abgleitet, wodurch er die Menschen mit seiner Authentizität anspricht.“
Die Ursachen der Identitätskrise
Die Vereinigung des Ostens und Westens der EU ist auch aufgrund zu hoher Erwartungen gescheitert, beobachtet die Journalistin Mojca Pišek in Delo:
„Die Abrechnung mit dem Erbe des Kalten Krieges ist den zwei Europas missglückt. Das 'alte Europa' hat zu sehr an das 'neue Europa' geglaubt. Und der andere Part hat nach dem Ende des Sozialismus und dem Eintritt in den Kapitalismus nicht an sich selbst geglaubt und nun wissen diese Länder nicht, wo sie stehen und was sie sein wollen.“