Ungarn: Péter Márki-Zay wird Kandidat der Opposition
Der parteilose Péter Márki-Zay wird bei den ungarischen Parlamentswahlen 2022 als Kandidat der vereinten Opposition gegen Viktor Orbán antreten. Sechs Parteien von linksliberal bis konservativ hatten eine gemeinsame Vorwahl durchgeführt. Auf diese Weise war Márki-Zay 2018 bereits Bürgermeister der Stadt Hódmezővásárhely geworden. Kann er diesen Erfolg auf nationaler Ebene wiederholen?
Kluge Personalwahl
Péter Márki-Zay wird dem Premier einige Stimmen abluchsen können, glaubt The Guardian:
„Innerhalb des Oppositionsbündnisses wird ein konservativer christlicher Mann aus der Provinz als Galionsfigur natürlich nicht jedermanns Geschmack sein. Aber wie die unterlegene Mitte-Links-Kandidatin Klára Dobrev am vergangenen Sonntag erklärte, als sie Márki-Zay ihre Unterstützung zusagte, hat es oberste Priorität, einen Weg zu finden, um eine gute demokratische Praxis in Ungarn wiederherzustellen. Márki-Zay hat bewiesen, dass er in einem ländlich geprägten Bezirk gewinnen kann. Damit stellt er eine neue Bedrohung für Viktor Orbán dar, dessen Unterstützer zum größten Teil aus den konservativeren ländlichen Regionen kommen.“
Gemeinsam sind sie stark
Die Kleine Zeitung sieht Parallelen in Ungarn, Tschechien und Polen:
„In Ungarn erwächst dem seit zwölf Jahren unbesiegbaren Viktor Orbán mit dem neuen Oppositionskandidaten Péter Márki-Zay gerade ein Gegner, dem zugetraut wird, die Allmacht von Orbáns Fidesz-Partei bei den Wahlen im Frühjahr brechen zu können. In Tschechien, wo Staatspräsident Zeman weiter auf der Intensivstation liegt, hat in seiner Abwesenheit ein Wechsel stattgefunden, den viele nicht erwartet haben … Und auch in Polen, wo die PiS-Partei unter Jarosław Kaczyński sogar den Bruch mit Brüssel riskiert, herrscht Aufbruchstimmung … Eines haben die bisher zersplitterten Oppositionsgruppen in allen drei Ländern gemeinsam: Sie haben verstanden, dass sie sich zusammentun müssen, um gegen Regierungsparteien zu gewinnen.“
Der schwierige Teil kommt nach dem Sieg
Das Beispiel der Slowakei zeigt, dass ein Wahlsieg allein für einen Wandel nicht ausreicht, warnt Új Szó:
„Der Kampf gegen Korruption darf nur rechtmäßig, innerhalb des Rahmens des Rechtsstaats ablaufen, und dafür ist viel Geduld und Zeit notwendig ... Das Verhalten der alten Elite in der Slowakei zeigt, dass man sich [auch in Ungarn] auf einen harten Widerstand vorbereiten muss. Falls es in Ungarn zu einem Regierungswechsel kommt, ist eine noch angespanntere Lage zu erwarten, denn das Land ist im Ausbau von Abhängigkeitsverhältnissen, in der Machtkonzentration und im Abbau der liberalen Demokratie viel weiter gekommen.“
Orbáns schlimmster Alptraum
Da ist der Opposition in Ungarn ein echter Coup gelungen, freut sich die Frankfurter Rundschau:
„Nun muss Orbán erstmals seit fast zwölf Jahren fürchten, die Macht zu verlieren. Sein potenzieller Herausforderer ... scheint die perfekte Mischung zu sein, um konservative Wählerinnen und Wähler in Ungarn zu gewinnen, die eine Alternative zu dem autokratisch regierenden Orbán suchen, aber Linken und Grünen ihre Stimmen nicht geben wollen. Im Orbán-Staat Ungarn schien ein demokratischer Machtwechsel gar nicht mehr denkbar. Das könnte sich in ein paar Monaten ändern. Péter Márki-Zay könnte zu Viktor Orbáns schlimmstem Alptraum werden.“
Provinzpolitiker statt Filterblasen-Liebling
Auch Wprost hält den Bürgermeister der früheren Fidesz-Hochburg Hódmezővásárhely für einen aussichtsreichen Kandidaten:
„Kleinstadtkonservativer ist keine schmeichelhafte Bezeichnung, aber genau so jemand ist zum Führer der vereinigten ungarischen Opposition geworden und hat eine echte Chance, Viktor Orbán die Macht zu entreißen. ... Diese Wahl mobilisierte über 660.000 Anhänger der Opposition in einem Land mit weniger als 10 Millionen Einwohnern. Das Wichtigste ist, dass der Gewinner kein weiterer Liebling der oppositionellen Filterblasen war, sondern ein Politiker, dem es gelang, die Fidesz in ihrer Hochburg zu besiegen.“
Die Anti-Establishment-Welle geht weiter
Der Durchmarsch eines parteilosen Kandidaten wäre in Mittel- und Osteuropa keine Premiere, beobachtet Válasz Online:
„Seit Anfang der 2010er-Jahre ist eine Reihe von politischen Charakteren aufgetaucht, die in vielerlei Hinsicht Ähnlichkeiten mit Péter Márki-Zay aufweisen: Die [neuen] Kräfte kritisierten sowohl das linke als auch das rechte Establishment, sie vertraten eine ausgeprägte Anti-Korruptions-Agenda und waren im Grunde genommen für die EU. ... Mit Blick auf Andrej Babiš, der wegen seiner dubiosen Geschäfte stürzte, oder auf Igor Matovič, der aufgrund eines Interessenkonflikts zurücktreten musste, stellt sich die Frage, wie lange solche Politiker 'sauber' bleiben können, wenn sie dasselbe tun wie diejenigen, die sie ablösen wollen: Politik machen und Macht erhalten.“
Vielleicht die letzte Chance für die Demokratie
Dagens Nyheter hofft auf eine neue Europapolitik in Budapest:
„Márki-Zay sagte, er werde eine EU-freundliche, pro-westliche Politik betreiben, das Gegenteil von Orbáns Annäherung an Russland und China. ... Seine Worte, ebenso wie die vereinte Opposition an sich, geben neue Hoffnung für das Land im Herzen Europas. ... Sauerstoffzufuhr in Form neuer Ideen und neuer Antworten auf alte gesellschaftliche Probleme tut jedem Staat gut. Aber bei Ungarn steht aufgrund von Orbáns Manipulationen noch weitaus mehr auf dem Spiel. Der Konfrontationskurs gegenüber Brüssel könnte dazu führen, dass das Land die EU verlassen muss, obgleich die Bevölkerung - ebenso wie in Polen - gegenüber der Union sehr positiv eingestellt ist. Die Wahl im April kann die letzte Chance für die Demokratie sein.“
Ohne Partei wird man nicht Premier
Die Kür zum Oppositionskandidaten bringt Márki-Zay noch gar nichts, glaubt die regierungsnahe Magyar Nemzet:
„Das hat nicht die geringste Bedeutung. Der Premierminister wird nicht direkt gewählt, sondern die Partei, die bei der Wahl die meisten Mandate im Parlament erhält, darf ihn benennen. ... Wissen das diejenigen, die jetzt für Márki-Zay gestimmt haben? Sie haben für jemanden gestimmt, der bei der wirklichen Wahl gar nichts - weder eine Partei noch eine Fraktion - hinter sich haben wird.“