Droht Bosnien und Herzegowina die Spaltung?
Der internationale Friedensbeauftragte in Bosnien und Herzegowina, Christian Schmidt, schlägt in einem Bericht an den UN-Sicherheitsrat Alarm: Das Land stehe vor einer "existenziellen Bedrohung", weil eines seiner drei Präsidiumsmitglieder, Milorad Dodik, als serbischer Nationalist eine eigene Armee aufbauen und den Friedensvertrag von Dayton unterlaufen wolle. Die Presse schwankt zwischen Zustimmung und Beschwichtigung.
Geschichte darf sich nicht wiederholen
Die Frankfurter Rundschau hofft, dass der Warnruf des Hohen Repräsentanten gehört wird:
„Die Grenzen auf dem Balkan dürfen nicht noch einmal mit Gewalt neu gezogen werden. Die EU und die USA müssen jetzt schnell handeln. Konzessionen an Nationalisten wie Dodik darf es nicht mehr geben. Es braucht jetzt eine klare Ansage. Die Geschichte vom kollektiven Schlafwandeln Richtung Krieg und Genozid darf sich nicht wiederholen.“
Lasst ihn reden, solange er sich an Dayton hält
Es wäre ein Fehler, auf Dodiks kalkulierte Provokationen einzugehen, entgegnet die Neue Zürcher Zeitung:
„Nationalistische Rhetorik ist in dem multiethnischen Land eine übliche Herrschaftspraxis - nicht nur der serbischen, sondern auch der bosniakischen (muslimischen) und der kroatischen Eliten. Sie versuchen, unter ihrer Gefolgschaft die Angst vor den andern zu schüren, um die 'eigene' Volksgruppe leichter kontrollieren zu können. ... Dodiks Reputation als starker Mann speist sich aus seinen separatistischen Provokationen, auf die seine Gegenspieler verlässlich empört reagieren. Es brächte deshalb schon viel, wenn man seine Einlassungen öffentlich nicht mehr kommentieren würde. Erst wenn er tatsächlich den Daytoner-Vertrag verletzte, sollte eingeschritten werden. Dann aber mit scharfen Sanktionen.“
EU überlässt Russland tatenlos das Feld
Warum der Westen dringend handeln muss, erklärt Der Standard:
„Milorad Dodik ... verfolgt eine identitäre Ideologie und setzt bereits konkrete Schritte zur Sezession des Landesteils Republika Srpska. Er wird von Moskau unterstützt und weder von den USA noch von der EU gestoppt. Russland ist derzeit der erfolgreichste Player vor Ort. Für Moskau ist Bosnien und Herzegowina eine wunderbare Spielwiese, um aufzutrumpfen. Das ist aber nur dank der Schwäche der anderen möglich. ... Gleichzeitig wissen die Bosnierinnen und Bosnier, dass sie sich im Notfall nicht auf die EU und die Nato verlassen können. Die Lektion haben sie während der dreieinhalb Jahre Krieg von 1992 bis 1995 schmerzvoll gelernt. Und auch jetzt fühlen sie sich wieder vom Westen verraten.“
Und wieder spielt einer mit dem Feuer
Der bosnische Serbenführer scheint aus der Geschichte wenig gelernt zu haben, kritisiert Népszava:
„Wer Dodik reden hört, kann sogar den Eindruck gewinnen, dass der Frieden auf dem Balkan seit 1995 nie in so einer großen Gefahr war. ... Man hätte gedacht, das Schicksal des ehemaligen jugoslawischen, später serbischen Präsidenten Slobodan Milošević sei ein Warnzeichen für alle Politiker auf dem Balkan. Leider gibt es doch einige, die in dieser ohnehin nicht friedlichen Region auch einen Flächenbrand riskieren würden, um ihre Macht erhalten zu können.“