Atomabkommen: Ist Teheran noch zu stoppen?
Nach monatelanger Unterbrechung treffen sich derzeit Vertreter Irans mit Diplomaten aus Frankreich, Großbritannien, Deutschland, Russland und China, um über das Atomabkommen von 2015 zu verhandeln. Ex-US-Präsident Trump hatte es 2018 platzen lassen, Iran sein Atomprogramm danach deutlich angekurbelt. Nun fordert Teheran die Aufhebung sämtlicher Sanktionen. Europas Presse sieht wenig Chancen auf Einigung.
Im besten Fall wird alles verzögert
Da für Teheran die Aufhebung der Sanktionen im Vordergrund steht, darf man keine allzu großen Erwartungen haben, konstatiert La Repubblica:
„Inzwischen hat Großbritannien ein gemeinsames Kommuniqué mit Israel unterzeichnet, in dem es sich verpflichtet, den Iran auf jede Weise am Besitz einer Atomwaffe zu hindern. Angesichts dessen ist es bereits ein Erfolg, dass Teheran sich bereit erklärt hat, seine Programme zu erörtern. Die optimistischste These ist, dass ein partielles und vorläufiges Abkommen über das Einfrieren bestimmter Aktivitäten im Austausch für die Lockerung bestimmter Sanktionen erreicht wird. Ein Abkommen, das den Iran einige Monate vom Bau der Atombombe entfernt hält.“
Sanktionen unbedingt beibehalten
Dem Regime in Teheran ist nicht zu trauen, warnt The Daily Telegraph:
„Es war ein Akt monumentaler Dummheit, [2015] die Sanktionen gegen ein Regime aufzuheben, das mehr als jedes andere auf der Welt Terror finanziert, und uns von dessen Versprechen täuschen zu lassen, sein Atomwaffenprogramm nicht fortzusetzen. ... Im Jahr nach dem Atomabkommen von 2015 wuchs die iranische Wirtschaft laut Internationalem Währungsfonds um 12,5 Prozent. Hätte US-Präsident Donald Trump nicht interveniert, wäre der Iran ein finanzstarker Terrorförderer geworden. Die Wiedereinführung der Sanktionen ab 2018 bremste jedoch die Wirtschaft umgehend. Das iranische BIP schrumpfte 2018 um 4,8 Prozent und 2019 um 9,5 Prozent. “
Vielleicht ist die Bombe den Hardlinern wichtiger
Helsingin Sanomat ist unsicher, ob der Iran überhaupt ein Abkommen anstrebt:
„Seit den Verhandlungen im Frühjahr hat sich im Iran ein Machtwechsel vollzogen und die Signale sind beunruhigend. Mit seiner harten Linie versucht Präsident Ebrahim Raisi, den bestmöglichen Preis für eine Einigung zu erzielen, einschließlich der Aufhebung aller Sanktionen. Vielleicht will der Iran aber auch gar kein Abkommen mehr, so wie er die Internationale Atomenergiebehörde (IAEO) demütigt. … Am gefährlichsten wäre es, wenn der Iran meint, dass die nukleare Abschreckung dem Land mehr nutzt als ihm die Wirtschaftsblockade und die feindseligen Beziehungen schaden. … Wenn die Verhandlungen scheitern, könnte im Nahen Osten wieder Chaos drohen. Insbesondere Israel ist nicht für seine Geduld bekannt.“
Realistisch sind nur Regen oder Traufe
Weder ein Scheitern der Gespräche noch ein Minimalkonsens wären gut, mahnt Kolumnist Pierre Haski in France Inter:
„Im Fall eines Bruchs droht eine echte Konfrontation, denn Israel und seine neuen arabischen Verbündeten im Golf werden nicht hinnehmen, dass der Iran eine Atomwaffe baut - eine Waffe, die in der Region nur Israel besitzt und deren Beschaffung durch den Iran das strategische Gleichgewicht verändern würde. Israel hat ohne Bekennerschreiben bereits zahlreiche Sabotageakte des Atomprogramms vorgenommen - Ermordungen von Experten, Cyberangriffe und sogar Destabilisierungsoperationen wie die Störung der Benzinversorgung. … Das andere Risiko ist eine Minimaleinigung, die das Vertrauen nicht wiederherstellen und ebenso zu einer Eskalation in diesem Schattenkrieg führen würde.“