Iran-Deal: Was bedeutet der Ausstieg der USA?
Nach wochenlangen Spekulationen hat Trump das Atomabkommen mit dem Iran aufgekündigt. Die US-Sanktionen, die im Rahmen des Deals aufgehoben worden waren, sollen wieder eingeführt werden. Israel und Saudi-Arabien begrüßten die Entscheidung. Einige Kommentatoren finden den Schritt nachvollziehbar, doch bei den meisten überwiegt Besorgnis.
Teheran selbst schuld an Eskalation
Mit seinem Vorgehen in Syrien, im Jemen und im Libanon hat Teheran das Aus des Atomabkommens selbst heraufbeschwört, meint The Daily Telegraph:
„Es ist diese aggressive Haltung der herrschenden Elite im Iran, die zur jüngsten diplomatischen Konfrontation zwischen Washington und Teheran geführt hat, wie Donald Trump in seiner Rede ausführte. Denn wie können die USA und andere Unterzeichner des Atomabkommens den Iranern vertrauen, wenn all ihren Taten böse Absichten zugrunde liegen? ... Nach Teherans derzeitigem Verhalten im Nahen Osten zu urteilen, ist das wahre Ziel der Ajatollahs, die Region zu beherrschen. Und wenn das der Fall ist, dann erfüllt kein Abkommen - ganz gleich, ob für Nuklearfragen oder anderes - irgendeinen Zweck, das den Ajatollahs hilft, ihre Ziele zu erreichen.“
Neuer Druck kann sich positiv auswirken
Der Tagesspiegel plädiert dafür, Trumps Schritt differenziert zu betrachten:
„Falls der Druck zu einem besseren Vertragspaket führt, wäre die Welt besser dran. Zerfällt der Deal, weil der Iran Trumps Provokation damit beantwortet, dass auch er Zusagen nicht mehr einhält, wäre die Lage schlechter als zuvor. Da beginnen die Probleme der Debatte in Deutschland. Von Ambivalenz war bisher wenig zu hören. Schwarz-Weiß-Denken hat Konjunktur … Trump beende angeblich den Atomdeal. ... Und er sei ein Kriegstreiber. ... Trump hat die Diplomatie am Dienstag nicht beendet. Er führt mehr Sanktionen ein, statt sie abzubauen. ... Es wird dauern, Klarheit über die neuen Sanktionen und ihre Folgen zu gewinnen. Die Zeit kann man nutzen, um nachzuverhandeln. Europa spricht bereits mit dem Iran.“
Naive Hoffnung auf einen besseren Deal
Trump fehlt nun jede Strategie, um den Iran vom Bau von Nuklearwaffen abzuhalten, klagt Die Presse:
„Strafmaßnahmen gab es schon einmal. Sie haben dazu beigetragen, dass Teheran auf den eben derzeit geltenden Nuklearvertrag eingestiegen ist. Zu hoffen, dass sich der Iran mit neuen Strafmaßnahmen so einfach eine Verschärfung des Abkommens abtrotzen ließe, ist aber gewagt. Einem Teil des Regimes gehen schon die bisherigen Zugeständnisse zu weit. Auch militärisch ist ein Stopp eines wieder voll angeworfenen Atomprogramms kaum zu erreichen. Um dabei auf Nummer sicher zu gehen, müsste man wohl in dem gewaltigen Land einmarschieren. Das wäre selbst für die USA eine zu große Aufgabe - ganz abgesehen von den humanitären Folgen.“
Nukleares Wettrüsten geht weiter
Welche Risiken ein Aus des Atomdeals mit sich bringt, erklärt Le Figaro:
„Sollte das Atomabkommen endgültig aufgegeben werden, gibt es künftig zwei Bedrohungen: Kurzfristig erwartet uns eine Auseinandersetzung zwischen Israel und Iran, längerfristig ein neues globales nukleares Wettrüsten. Im Nahen Osten hat Saudi-Arabien bereits zu verstehen gegeben, dass es einem neuen Atomprogramm des Iran nicht tatenlos zuschauen wird. Die Atomisierung der Welt droht mit deren Nuklearisierung einherzugehen.“
US-Präsident erstickt die iranische Opposition
Trump stärkt Ajatollah Khamenei und den Revolutionsgarden den Rücken, kritisiert news.bg:
„Das Regime in Teheran wird sich nun noch stärker verbarrikadieren. Das religiöse Establishment wird noch lange Zeit die Politik bestimmen und die kritischen Strömungen werden langsam ersticken. Ein von der Welt abgekapselter Iran, in dem die Ajatollahs an allen Hebeln der Macht sitzen, bedeutet noch weniger Internet und Telegram. Trump hat Khamenei und den Revolutionsgarden einen Gefallen getan, ob er es weiß oder nicht. Er hat dafür gesorgt, dass die reformatorischen Kräfte im Land sich nichts mehr trauen werden.“
Europa muss eine Antwort auf Trump finden
Der Iran-Deal ist nach dem Pariser Klima-Vertrag das zweite Abkommen, das US-Präsident Trump kündigt, betont De Volkskrant und sieht Europa damit vor eine entscheidende Frage gestellt:
„Die europäisch-amerikanischen Beziehungen sind so geworden wie Trump selbst: Veränderlich und unberechenbar. ... Optimisten können spekulieren, dass die Grobheit des Immobilien-Präsidenten nur neue Verhandlungspositionen schaffen soll, mit dem Ziel besserer Verträge. Pessimisten erkennen in Trumps sprunghafter Persönlichkeit eine besorgniserregende Konstante: ... Er glaubt unvermindert an America First und zeigt wenig Respekt für multilaterale Verträge und Zusammenarbeit. Das aber widerspricht grundlegend den Prinzipien Europas. Das muss sich nun überlegen, welche Antwort darauf zu geben ist.“