Fallen die Polen vom Glauben ab?
Laut einer aktuellen Studie praktizieren nur noch 23 Prozent der Polen zwischen 18 und 25 Jahren ihren Glauben. 1992 waren es noch knapp 70 Prozent. Auch angesichts des großen Einflusses der katholischen Kirche auf Politik, Gesellschaft und Medien fragt sich die polnische Presse, welche Ursachen und Auswirkungen dieser Rückgang der Religiosität hat.
Covid und Missbrauchsskandale stecken dahinter
Tygodnik Powszechny sucht nach Ursachen für den Rückgang der Religiosität:
„Der erste ist die Tatsache, dass Informationen über Gewalt- und Sexualverbrechen und die Reaktionen der Kirche darauf die öffentliche Meinung erreicht haben. Diese Verbrechen wurden von Priestern im kirchlichen Raum begangen und die Kirchenoberen wollten die Institution auf Kosten der Geschädigten schützen. Der zweite Grund ist natürlich die Covid-19-Pandemie, die viele soziale Gewohnheiten unterbrochen oder geschwächt hat, einschließlich der Teilnahme an religiösen Praktiken.“
Die Sicherheit ist trügerisch
Vorerst wird das schlechte Umfrageergebnis die polnische Kirche nicht jucken, prophezeit die Publizistin Joanna Podgórska in Polityka:
„Wird die Kirchenführung die Umfrage als letztes Warnzeichen betrachten und ihre Haltung überdenken? Oder wird sie sie als einen weiteren 'Angriff auf die Kirche' betrachten und sich wie bisher in einer belagerten Festung verschanzen? Leider tippe ich auf Letzteres. Die starke Unterstützung - auch finanzieller Art - durch die Regierung dürfte ihr ein Gefühl der Sicherheit vermitteln. Aber diese Sicherheit ist trügerisch. Selbst in der Politik wird die Kirche ohne Gläubige nicht lange eine einflussreiche Institution bleiben.“
Nicht zu sehr dem Zeitgeist anpassen
Die kirchliche Wochenzeitung Gość Niedzielny warnt davor, die falschen Schlüsse aus den Studienergebnissen zu ziehen:
„Die Kirche wird, selbst wenn sie besser und weiser wäre, als sie es ist, gleichwohl von außen und von innen kritisiert werden, weil sie - als letzte hierarchische Institution - nicht zur heutigen 'Kultur ohne Autoritäten' passt. ... Sicherlich muss die Art und Weise, wie die Autorität der Kirche (wie auch andere Autoritäten) ausgeübt wird, an die neuen Bedingungen des gesellschaftlichen Lebens angepasst werden. Diese Anpassung darf jedoch nicht dazu führen, dass verlässliche Autoritäten und die Idee der Autorität selbst aufgegeben werden. Denn ohne eine Kultur der Autorität kann es keine Religiosität geben. In einer Atmosphäre, in der jeder sein eigenes Ich hochhält, wird niemand vor Gott niederknien.“