Olaf Scholz in Kyjiw und Moskau
Nach immer konkreteren Angriffswarnungen auf die Ukraine sind die Erwartungen an die Antrittsbesuche von Bundeskanzler Scholz in Kyjiw und Moskau enorm: Solidarität, Finanzhilfe und ein eventuelles Nato-Beitrittsmoratorium waren die Ansagen beim Treffen mit dem ukrainischen Präsidenten Selenskyj am Montag. Am Dienstag reiste Scholz weiter nach Moskau. Europas Presse schwankt zwischen Hoffnung und Sorge.
Kann Scholz den Krieg verhindern?
Der Druck, der auf Olaf Scholz und seiner Reise nach Kyjiw und Moskau lastet, ist enorm, analysiert The Irish Independent:
„Eines können wir mit Sicherheit sagen: Am Ende dieser Woche werden die meisten Menschen in Irland und auf der ganzen Welt wissen, wer Olaf Scholz wirklich ist. Momentan ist er am ehesten dafür bekannt, der Nachfolger von Angela Merkel zu sein. ... Deutsche und internationale Medien sehen seine Zwei-Stationen-Reise als letzte Chance, um den Ausbruch eines Krieges zu verhindern. Die US-Amerikaner haben den morgigen Mittwoch als wahrscheinlichen Zeitpunkt einer russischen Invasion in der Ukraine angegeben. Also: Überhaupt kein Druck, Herr Scholz! Sie müssen nichts weiter tun, als einen Mini-Weltkrieg verhindern.“
Kompromiss noch möglich
Es zeichnet sich Kompromissbereitschaft ab, freut sich Corriere della Sera:
„Es gab eine wichtige Passage in der gemeinsamen Pressekonferenz von Scholz und Selenskyj. Beide sagten, dass die Nato-Mitgliedschaft der Ukraine nicht aktuell sei. Der ukrainische Präsident erklärte, die Frage der offenen Tür des Bündnisses für die Ukraine sei vielleicht nur ein Traum. Niemand wisse, wann und wie das geschehen werde. Scholz verteidigte den Grundsatz, dass jedes souveräne Land das Recht hat, einen Antrag auf Beitritt zur Nato zu stellen. Er wies jedoch darauf hin, dass man 'derzeit der Realität ins Auge' sehen müsse und die Frage des Beitritts der Ukraine zum Atlantikpakt 'nicht auf der Tagesordnung' stehe. Kein Nachgeben also gegenüber den Forderungen des Kremls, der eine endgültige Ablehnung des Beitritts der Ukraine wünscht, sondern das Aufzeigen eines Zeitfensters für einen Kompromiss.“
Kyjiw sollte Nato-Ambitionen auf Eis legen
Die Frankfurter Rundschau sieht die Lösung in einem Moratorium für den Nato-Beitritt der Ukraine:
„Wenn Moskau im Gegenzug auf Aufmärsche wie jetzt verzichtet und Transparenz schafft, könnte beides zusammen wirken wie erste Hilfe am Unfallort: Die Lebensgefahr jedenfalls wäre fürs erste gebannt. Natürlich kann der Westen die Ukraine auf diesen Kurs nicht zwingen, schon gar nicht öffentlich und erst recht nicht als Ergebnis einer Erpressung. Damit verstieße er gegen eigene Grundsätze. Jedes Volk soll schließlich frei über Bündnisse entscheiden können. Dieses Problem wäre aber umschifft, wenn Kiew selbst darauf kommt und von sich aus ein Nato-Moratorium vorschlägt. Hat Scholz die Idee schon in Kiew hinterlassen? Vielleicht ließe sich zum Ausgleich die Nähe zur EU vergrößern.“