Europa am Wendepunkt?

Während die Menschen in der Ukraine in Luftschutzkellern und Metrostationen ausharren, ihre Verteidigung vorbereiten oder das Land verlassen, fragen sich die restlichen Europäer, was Putins Krieg vor ihrer eigenen Haustür für die weitere Zukunft bedeutet - auch auf lange Sicht. Und eines scheint Kommentatoren klar: Das ist eine Zäsur, nach der nichts mehr so wird, wie vorher.

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Dagens Nyheter (SE) /

Demokratische Ordnung gemeinsam verteidigen

China hat Verständnis für die russische Aggression demonstriert. Der Westen muss also erst recht mehr zusammenrücken, fordert Dagens Nyheter:

„Peking und Moskau sind nicht immer einer Meinung, aber beide wollen die aktuelle Ordnung umstürzen und eine neue schaffen, in der das Recht des Stärkeren regiert und sie in ihrer Nachbarschaft selbst entscheiden. Angesichts dessen muss die demokratische Welt geschlossen stehen. Und Europa muss in größerem Maße die Kosten unserer gemeinsamen Sicherheit tragen, die bisher hauptsächlich von den Vereinigten Staaten getragen wurden. Sarajevo 1914. München 1938. Ungarn 1956. Es gibt Orte und Daten, die für immer mit einem unglücklichen Wendepunkt in der Geschichte verbunden sein werden, wenn alte Illusionen zerstört werden.“

La Vanguardia (ES) /

Wappnen und durchhalten

La Vanguardia erwartet harte Zeiten für alle Europäer:

„Die neuen Probleme in den Versorgungsketten und vor allem die steigenden Preise für Energie, Rohstoffe und einige Lebensmittel wie Weizen werden zu einem deutlichen Anstieg der bereits sehr hohen Inflation beitragen. ... Die Bürger müssen sich darauf vorbereiten, diese erste große wirtschaftliche Auswirkung des bewaffneten Konflikts zu überstehen und durchzuhalten. Die europäischen Aktienmärkte verzeichneten gestern hohe Verluste, fast vier Prozent, in einer der schlimmsten Börsensitzungen seit Beginn der Pandemie im März 2020. Doch die russischen Aktienmärkte stürzten um brutale 30 Prozent ab, was den historischen Fehler von Wladimir Putin am deutlichsten bestätigte.“

De Volkskrant (NL) /

Rüsten für eine instabile Zukunft

De Volkskrant schreibt:

„Westliche Sanktionen und Bedrohungen treffen Putin nicht in seinem megalomanen Traum, die abtrünnigen, früheren Sowjetrepubliken am Rand der EU zurückzuholen. Die Folgen der russischen Invasion werden nicht zu übersehen sein. ... Es müssen wichtige Lektionen gelernt werden, zum Beispiel für die europäische Energieversorgung und Verteidigung. Um die Nato zu stärken, werden die europäischen Mitgliedsstaaten ihre Beiträge stark erhöhen müssen. Mit einem aggressiven Nachbarn im Osten und einem unbeständigen Verbündeten im Westen steht Europa nun an einem Wendepunkt der Geschichte.“

Fakti.bg (BG) /

Das können wir unseren Kindern nicht erklären

Putin dreht die Zeit zurück, schreibt der bulgarische Schriftsteller Georgi Gospodinow in einem Gastbeitrag für fakti.bg:

„Er bringt uns vom 21. Jahrhundert zurück in das 20. Jahrhundert mit Krieg. Und er bestimmt es nicht nur für sein Land, sondern auch für ein Nachbarland, für ganz Europa, vielleicht für die ganze Welt. ... Was soll ich meiner Tochter heute Abend sagen, nachdem ich ihr jede Nacht versprochen habe, dass es keinen Krieg geben wird? Was sollen wir unseren Kindern sagen? Wie können wir ihnen erklären, dass das Kinderzimmer der Welt noch nicht bereit ist für sie? Wir müssen den Keller aufräumen, sagt meine Frau. Gut, dass unten ein Wasserhahn ist. Es könnte länger dauern.“