Ukraine-Krieg: Wie soll das weitergehen?
Nach einer Woche Krieg wird die Lage für die ukrainische Bevölkerung immer dramatischer. In der Nacht kam es zu heftigen Luftangriffen auf Großstädte, Cherson im Süden des Landes wurde eingenommen. Angesichts dessen wollen sich die Ukraine und Russland zu einer neuen Verhandlungsrunde in Belarus treffen. Europas Presse fragt sich, ob Putin mit dem Rücken zur Wand steht.
Unterwerfung ist unmöglich
Der Kolumnist und Sicherheitsexperte Edward Lucas analysiert in Denník N die Gründe für das nur mühsame Vorankommen der russischen Militärübermacht:
„Den russischen Militärangehörigen wurde gesagt, ihre Mission sei eine unschuldige Übung oder eine edle Mission zur Rettung von Landsleuten. Jetzt finden sie heraus, dass sie auf ukrainische Großmütter schießen, Kindergärten bombardieren und Städte voller Menschen wie sie selbst belagern sollen. Raketenstarts sind eine Sache, Menschen von Angesicht zu Angesicht zu töten eine andere. ... Erste Desertationen von Soldaten und Kommandeuren könnten eine Lawine auslösen. Russland kann immer noch einige ukrainische Städte erobern oder zerstören, aber es wird die Ukraine nicht unterwerfen.“
Die Macht der Freiheit
Gazeta Wyborcza ist von der Reaktion des Westens positiv überrascht:
„Weniger als eine Woche genügte, und wir finden uns in einer völlig neuen Welt wieder. Die düstere Dekadenz des demokratischen Westens ist beendet. Die freie Welt ist erwacht und ist besser, als es den Anschein hatte. ... Die Nato ist kein Papiertiger. ... Rüde Autokraten mögen sie an den Schnurrhaaren zupfen und mit einem Stock an ihrem Käfig entlang fahren, denn die Weisheit des Westens ist Ruhe und vorsichtige Zurückhaltung. Wer aber der freien Welt auf den Schwanz tritt, lernt die Macht der Freiheit kennen.“
Eine völlig andere Kampfart
Der Kampf gegen Putin wird mit harten und ungewohnten Bandagen geführt werden müssen, warnt Krónika:
„Die Sanktionen können gar nicht so strikt sein, dass sie Putin auch nur für einen Moment ins Wanken bringen. Wirtschafts- und Finanzsanktionen können nur in einer Welt wirken, die nach bestimmten Regeln funktioniert. Der russische Präsident hat diesen Rahmen verlassen. ... Die größte Frage ist, inwiefern die Nato und die westliche Welt auf diese Kampfart vorbereitet sind. ... Ist man auch darauf vorbereitet, dass man infolge des Vorgehens gegen Putin, der die Rolle des Vandalen offen und stolz übernimmt, eventuell in der eigenen Wohnung frieren muss?“
Es gibt kein Zurück für Putin
Putin hat den Krieg bereits verloren, egal wie sich die Kämpfe entwickeln, schreibt Sega:
„Putin hat den Krieg unter dem Vorwand begonnen, die Ukraine zu entnazifizieren, doch die Welt erkannte, dass das Einzige, was an die Nazizeit erinnert, Putins Verhalten ist. Wie auf den Transparenten vieler Anti-Kriegs-Proteste in der ganzen Welt zu sehen ist, wird er als Kriegsanstifter mit Adolf Hitler verglichen. Die Menschen sehen in ihm das ultimative Böse, das die Wut der gesamten Welt auf sich zieht. Seine einzige Zuflucht ist die Macht, also wird er sich immer verzweifelter daran klammern. Wenn er den Kreml verlässt, führt sein Weg direkt zum Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag, wo man bereits auf ihn wartet.“
Europa darf keine US-Kolonie werden
Für die regierungsnahe Zeitung Večernje novosti wird der Krieg auch für die Souveränität Europas weitreichende Folgen haben:
„Die egoistischen Ziele einer tausende Kilometer entfernten Macht brachten Europa an den Rand eines viel größeren Krieges als das, was wir bisher in der Ukraine sehen. Ob wir das glauben oder nicht, dieser Konflikt wird auf ganz Europa überschwappen, doch werden auch die USA nicht sicher sein in ihrem entfernten Paradies. ... Europa muss nun entscheiden, ob es souverän und selbstständig Entscheidungen treffen wird oder eine Marionettenunion, eine US-Kolonie wird, deren Entscheidungen in Washington getroffen werden.“