Millionen Menschen fliehen aus der Ukraine
Schätzungen der Vereinten Nationen zufolge könnten bis zu vier Millionen Menschen aus der Ukraine fliehen. Rund drei Millionen Flüchtlinge erreichten bereits die Grenzen der Nachbarländer Polen, Rumänien, Moldau, Slowakei und Ungarn. Kommentatoren mahnen an, sich entsprechend vorzubereiten und dabei auch an die Fliehenden aus Russland zu denken.
Auf weitere Herausforderungen vorbereiten
Die Lage ist sehr unübersichtlich, gibt Rzeczpospolita zu bedenken:
„Es ist schwierig, heute etwas mit Sicherheit zu sagen. Wer ist wo untergekommen? Wie viele Menschen haben langfristig ein Dach über dem Kopf, und wie viele kurzfristig? Wie viele der Flüchtlinge werden länger in Polen bleiben, und wie viele werden weiter nach Westen gehen? Wie viele sind in der Lage, allein zurechtzukommen, und wie viele benötigen Pflege und Unterstützung? ... Die Zeit drängt, denn wir könnten bald ein Problem mit einer 'sekundären Welle' der Migration bekommen. Eine beträchtliche Anzahl von Flüchtlingen ist bislang nur übergangsweise in Hotels und Pensionen untergekommen.“
Auch viele Russen brauchen Asyl
Aufgrund eines Rechtsvorbehalts im Maastricht-Vertrag gilt der von der EU beschlossene Status für Ukraine-Flüchtlinge nicht automatisch in Dänemark. Am Freitag soll dazu ein entsprechendes Sondergesetz beschlossen werden. Dabei sollte man auch russische Flüchtlinge denken, fordert Politiken:
„Mehrere Parteien weisen darauf hin, dass auch russische und belarusische Soldaten, die nicht im Krieg gegen die Ukraine kämpfen wollen, von einem solchen Sondergesetz erfasst werden sollten. Das ist richtig und wichtig. Und es sollte auch für Russen gelten, die Putins Politik ablehnen. ... Obwohl politisches Asyl für Deserteure aus einem Krieg, der von allen westlichen internationalen Organisationen verurteilt wurde, jetzt selbstverständlich erscheint, zeigt die Geschichte, dass dies nicht [immer] der Fall ist.“
Wieder eine Fluchtwelle vor einem grausamen Regime
Die Auswanderung vieler kremlkritischer Russen erinnert an die Flucht vor den Nationalsozialisten, meinen Christophe Deloire, Generalsekretär von Reporter ohne Grenzen, und Mikhail Zygar, früherer Chefredakteur des unabhängigen russischen TV-Senders Doschd, in Le Monde:
„Der sich derzeit in Russland abspielende Exodus ist vergleichbar mit der massiven Auswanderungswelle aus Deutschland in den 1930er Jahren: Die, die Hitlers Politik infrage stellten, flohen aus dem Land. Unter ihnen waren Albert Einstein, Robert Oppenheimer, Marlene Dietrich, Thomas Mann sowie Tausende Anonyme. So wie diese verlassen die russischen Exilierten heute ihre zerstörte Heimat. Der Kampf, den sie seit Langem für Freiheit und Demokratie führen, ist heute verloren.“
Solidarität hat ein Verfallsdatum
Bald wird die EU eine harte Haltung gegenüber den Kriegsflüchtlingen zeigen, prophezeit Avgi:
„In einer Zeit, in der ein weiterer Krieg noch näher an uns ausgebrochen ist, wird die europäische Solidarität der ersten Tage mit den Flüchtlingen aus der Ukraine nicht nur bald verschwinden, sondern die Haltung der EU gegenüber allen Flüchtlingen verschlechtern. Der Zeitpunkt ist nicht mehr fern, an dem die Mauern und der Stacheldraht auch für die Ukrainer aktiviert werden. Großbritannien hat bereits gezeigt, was es mit denjenigen macht, die versuchen, dort Zuflucht zu suchen. Andere Länder werden bald in seine Fußstapfen treten. Ihre Solidarität und Humanität haben wie in jedem Krieg eine Grenze und ein Verfallsdatum. Deshalb bleibt die einzige Hoffnung die Beendigung des Krieges.“
Rückkehr zu historischer Normalität
Interia sieht Polen vor einem großen gesellschaftlichen Umbruch:
„Ein Teil der Flüchtlinge wird wahrscheinlich in andere Länder der Europäischen Union weiterziehen. Sie werden versuchen, ihr Los anderswo zu verbessern. Viele werden jedoch bei uns bleiben. In Anbetracht des Ausmaßes der Migration müssen wir heute wahrscheinlich mit einer Million neuer Bürger rechnen. ... Das scheint nicht übertrieben. Letztlich bedeutet es einen gewaltigen demografischen und kulturellen Wandel - und in gewisser Weise eine Rückkehr zur polnischen Normalität, denn die Erste und die Zweite Polnische Republik waren schließlich multikulturelle Staaten.“
Wir können alle helfen
Auch in Slowenien steigt die Zahl der Flüchtlinge aus der Ukraine. Primorske novice fordert dazu auf, ihnen die Integration zu erleichtern:
„Es wird sicherlich einen großen Bedarf an psychologischer Hilfe geben. Zu uns kommen Frauen und Kinder, die einen Teil ihrer Familie in der Ukraine zurückgelassen haben, die um das Leben des Vaters zittern und sich in einer völlig neuen Umgebung zurechtfinden müssen. Bei der Bewältigung dieser Herausforderungen können wir alle ein wenig helfen. ... Wir können helfen, indem wir offen für Kinder sind, die unsere Kindergärten und Schulen besuchen werden, indem wir Freundschaften schließen und freundlich zu den Müttern sind, die Arbeit suchen und vielleicht unsere Kolleginnen werden.“
Kein Sprint, sondern ein Marathon
Nun braucht es einen langen Atem für den Umgang mit den Geflüchteten, merkt Új Szó an:
„Hoffentlich wird der Schwung [der Hilfsbereitschaft] andauern. Denn diese Krise wird leider wohl ein Marathon sein und kein Sprint. Wir sollten aufpassen, dass sich nicht das wie mit dem Gesundheitspersonal [während der Pandemie] wiederholt. Anfangs wurde ihnen zwar applaudiert, später waren sie jedoch den Angriffen der Impfgegner ausgeliefert. Auch in dieser Krise werden diejenigen auftauchen, die meckern. Da das Benzin immer teurer wird und immer mehr Flüchtlinge ankommen, werden die Schuldzuweisungen bald folgen.“
Wir brauchen euch
Litauen sollte die Flüchtlinge mit offenen Armen empfangen, rät Lietuvos rytas:
„Während die Ukrainer ihr Blut für Europas Freiheit vergießen, hört es sich etwas egoistisch an, wenn man von dem Nutzen der ankommenden Ukrainer für unseren Arbeitsmarkt spricht. … Jetzt bietet man den Ukrainern über tausend Arbeitsstellen. Viele könnten in den Hotels, in den Restaurants, in den Supermärkten, in den Transport- und in den Industrieunternehmen arbeiten. Wenn der Krieg zu Ende ist und die Ukraine ihre Unabhängigkeit verteidigt hat, werden viele wohl in ihr Vaterland zurückkehren. Aber manche werden sich auch an die litauische Gesellschaft anpassen und niederlassen.“