Thronjubiläum: Was verdanken die Briten der Queen?
Vier Tage lang haben die Briten ihre Queen gefeiert: Nachdem die 96-Jährige sich aufgrund von persönlichen "Beschwerden" bei den verschiedenen Festivitäten zum 70. Thronjubiläum rar gemacht hatte, belohnte Elizabeth II. ihre hunderttausenden Fans zum Abschluss am Sonntag doch noch mit einem Auftritt auf dem Balkon des Buckingham Palace. Die Presse ist nicht so geschlossen in ihrer Begeisterung für die Monarchie.
Ein gefährlicher Cocktail
La Vanguardia findet, Großbritannien hat überhaupt nichts zu feiern:
„Der IWF warnt, dass [das Vereinigte Königreich] in diesem Jahr das schwächste Wachstum und die höchste Inflation unter den großen fortgeschrittenen Volkswirtschaften haben wird. ... Die unruhige Regierung des konservativen Premier Boris Johnson, die am Tiefpunkt seit seiner Wahl ist, spiegelt die Entwicklung einer Wirtschaft wider, die vom Weg abgekommen zu sein scheint. ... Pandemie, Ukraine, Johnson und Brexit. Ein Cocktail, der einen perfekten Sturm für die britische Wirtschaft bildet, auch wenn niemand im Vereinigten Königreich die Auswirkungen des vierten Faktors anerkennen will - aus Nationalstolz, inmitten des königlichen Jubiläums.“
Monarchie bleibt wichtigste Institution
Das größte Verdienst der Königin besteht darin, dass sie heute nicht weniger beliebt ist als vor mehr als 70 Jahren, analysiert Dnevnik:
„Während ihrer 70-jährigen Herrschaft passte sich die Queen unzähligen Veränderungen an, aber sie schaffte es dennoch, das französische Sprichwort 'Je mehr sich die Dinge ändern, desto mehr sind sie gleich' Jahrzehnt für Jahrzehnt umzusetzen. Die königliche Familie bleibt das superprivilegierte Erbe des Feudalismus, und die Monarchie bleibt eine intakte Schlüsselinstitution, die die Briten mehr als jede andere vereint. Vor allem, weil sich in den vergangenen zwei Jahrzehnten andere Schlüsselinstitutionen, von den Medien und der Polizei bis zum Parlament und unter Boris Johnson 10 Downing Street, eine nach der anderen blamiert haben.“
Feiern, solange es noch geht
Es könnte eine letzte Festivität dieser Art für die außergewöhnliche Queen sein, meint der Tages-Anzeiger:
„Dass ihr nun, da ihre Kräfte sichtlich nachlassen, so viel Sympathie, so viel persönliche Anerkennung zuteilwird, ist nicht zuletzt ihr eigenes Verdienst gewesen. Viele derer, die sie jetzt feiern, bewegt zugleich die Sorge, dass auf ihre Ära eine für die Monarchie und deren Anhänger sehr viel schwierigere Zeit folgen wird. … Die Popularität der Queen liegt deutlich höher als die der Institution, die sie repräsentiert. Darüber wollen die Royalisten, die um ihre Queen bangen, lieber nicht sprechen. Gefeiert wird jetzt, solange es geht.“
Elizabeth hat das Königreich gestärkt
Die Königin bringt das Volk zusammen, ist The Daily Telegraph überzeugt:
„Menschen brauchen solche Veranstaltungen [Thronjubiläum], für ein Zugehörigkeitsgefühl, das über die Familie, Nachbarschaft oder Region hinausgeht. Dass dieses an der Königin festgemacht wird statt an einem nebulösen Konzept von Nationalität, macht es persönlicher. Es ist eine Beziehung, wie sie nie zwischen Bürgern und ihren gewählten Politikern möglich wäre. ... In ihrer Herrschaftszeit gab es so viele gesellschaftliche Veränderungen, aber das hat nicht den Glauben an die Vorzüge der Monarchie geschmälert. ... Ganz im Gegenteil: Dank des Einsatzes Ihrer Majestät ist diese der unbestreitbare Mittelpunkt unserer nationalen Gemeinschaft geblieben.“
Monarchie infantilisiert die Briten
Man sollte die Hochachtung für die Queen nicht mit Zustimmung zur Monarchie verwechseln, meint The Guardian:
„Es gibt keinen Zweifel an der Bewunderung und Zuneigung für die Königin durch die Öffentlichkeit. Sie bleibt ein festes Wahrzeichen für Pomp, während die Würde der Nation gleichzeitig vom derzeitigen Premier beschädigt wird. Sie hat ihre unberechenbare Familien-'Firma' geschickt durch 70 Jahre voller Veränderungen und Turbulenzen geführt. ... Genießen Sie heute den Pomp und das Spektakel, aber vergessen Sie nicht den infantilisierenden Einfluss, den es auf die politische Psyche Großbritanniens hat, wenn Babys zum Herrschen geboren werden.“
Botschafterin des Friedens
Queen Elizabeths Besuch im Jahr 2011 war Höhepunkt ihrer jahrzehntelangen Bemühungen für Versöhnung in Irland, erinnert sich The Irish Times:
„Man sollte auch wertschätzen, dass die königliche Familie eine positive Rolle dabei gespielt hat, Frieden auf die Insel zu bringen und die Beziehung zwischen den Menschen dieser beiden Länder zu verbessern. Die Königin steht damit in krassem Kontrast zum Verhalten ihres Premiers Boris Johnson und einiger seiner Kollegen, die gegenüber den Auswirkungen ihrer Politik auf den Norden und Süden Irlands nicht nur gleichgültig erscheinen, sondern sich anscheinend alle Mühe geben, Dissens zu schüren, um ihre eigenen politischen Ziele zu verfolgen.“