Ist Charles seiner neuen Rolle gewachsen?
Während in Großbritannien aufwändige Trauerfeierlichkeiten für die verstorbene Langzeit-Königin Elizabeth II. vorbereitet werden, macht ihr Sohn die ersten Schritte und Amtshandlungen in seiner neuen Rolle als König Charles III. Europas Presse taxiert kritisch, ob der neue Monarch wohl die Lücke füllen kann, die seine souverän agierende Mutter hinterließ.
Die Latte liegt sehr hoch
Wenn Charles III. bei den Briten nicht gut ankommt, ist die Monarchie als Institution gefährdet, analysiert Times of Malta:
„Der neue König wird es wie seine Mutter schaffen müssen, einen festen Platz in den Herzen der meisten britischen Bürger einzunehmen, wenn die Monarchie eine strahlende Zukunft haben soll. Es gibt diejenigen, die mit gutem Grund argumentieren, dass die Monarchie eine irrelevante Institution in einer sich schnell verändernden Welt sei. Doch man darf nicht vergessen, dass die meisten Briten wegen der persönlichen Qualitäten, die Elizabeth in diese Rolle einbrachte - Stoizismus und Belastbarkeit, Anmut und Menschlichkeit -, die Monarchie immer noch als Symbol ihrer Identität, als Kraft der Einheit und als wertvollen Teil ihres Erbes sehen.“
Klima-Engagement vs. Skandalgeschichten
Le Temps fragt sich, ob Charles die nötige Würde für das Amt mitbringt - so wie es bei Elizabeth der Fall war:
„Ihre geradezu helvetische Neutralität zwang die Kommentatoren, anhand der Farben ihrer Kleidung oder Hüte zu erraten, wie ihre Meinung zu Themen aussah, die das Königreich entzweiten. Ihr Sohn, dessen Schandtaten in Boulevardzeitungen ausgebreitet wurden, hatte dieses Schutzschild nie. ... Im Gegensatz zu seiner Mutter hat Charles öffentlich bekannte Überzeugungen, zum Beispiel der Einsatz für den Klimaschutz. Das Thema ist so wichtig und konsensfähig, dass es die Briten wenigstens nicht weiter spaltet. Aber es braucht mehr, um die Rolle des Königs zu rechtfertigen und seine Paläste zu verteidigen - zu einem Zeitpunkt, an dem das Land in eine tiefe Rezession rutscht.“
Meinungsstärke als Qualität
Mit seinen ökologischen Ansichten könnte Charles III. ein beliebter König werden, glaubt der Deutschlandfunk:
„Anders als Elizabeth neigt Charles ... dazu, seine politischen Ansichten durchblicken zu lassen. Das darf er eigentlich nicht. ... Großbritannien ist eine konstitutionelle Monarchie, aber wenn es ihm gelingt, seine Überzeugungen als roten Faden mit einzuflechten in die Neuaufstellung seines Landes, könnte sich seine Meinungsstärke als wertvolle Qualität erweisen. Schon als junger Mann hat Charles sich für Natur- und Klimaschutz stark gemacht - damals belächelt, heute die größte Herausforderung für die Menschheit. Er könnte ein 'grüner König' werden, es wäre eine Modernisierung der Monarchie, die gerade junge Britinnen und Briten überzeugend fänden.“
Er bereitet den Thron für William vor
ABC glaubt, dass es Charles nicht leicht haben wird:
„Es lässt sich nicht leugnen, dass Charles weniger populär ist als seine Mutter und dass ihn seine bisweilen schrille Haltung zu kontroversen Themen belasten könnte. ... Hinzu kommt die mehr als heikle wirtschaftliche Situation des Landes. ... Jetzt, nach der Trennung vom übrigen Europa, steht das Vereinigte Königreich in einer unsicheren finanziellen Situation allein da. ... Die innenpolitische Lage ist angesichts des Strebens nach Unabhängigkeit in Schottland und der Gefahr einer Rückkehr zu politischen Turbulenzen in Nordirland alles andere als ideal. ... Vielleicht besteht seine Hauptaufgabe im Moment darin, die Thronbesteigung seines Sohnes William vorzubereiten.“