Droht ein neuer Krieg um Bergkarabach?
Im Konflikt zwischen Aserbaidschan und Armenien um Bergkarabach sind bei erneuten Angriffen rund 100 Menschen getötet worden. Kommentatoren deuten dies als Folge der durch den Krieg in der Ukraine veränderten Machtbalance und befürchten eine weitere Eskalation.
Erdoğan nutzt die Gunst der Stunde
Als Schutzmacht Aserbaidschans begreift die Türkei die Schwächung der russischen Truppen im Krieg gegen die Ukraine als Chance, analysiert der Investmentbanker Serhij Fursa auf Gordonua.com:
„Erdoğan hat das gesehen und beschlossen, dass dies der beste Zeitpunkt für seinen Schlag war. Und so griff Aserbaidschan Armenien an. Es hatte erkannt, dass dies der Zeitpunkt war, an dem sich Russland keine Einmischung leisten kann. Der Zeitpunkt, zu dem es keine Rolle mehr spielt, ob Armenien Mitglied der OVKS ist oder nicht. ... Erdoğan macht nicht nur Putin und die russischen Generäle mit einem Schlag zum Gespött, sondern auch die OVKS, mit der er im Bezug auf den Einfluss in Zentralasien rivalisiert.“
Nun taumeln Russlands Satelliten
An der Peripherie der russischen Macht wird es weitere Beben geben, prophezeit der Politologe Sergej Medwedew auf Facebook:
„Mir scheint, mit fortschreitendem Ausscheiden aller kampftauglichen Einheiten der russischen Armee erwarten uns interessante Sujets in Abchasien und Südossetien: Wäre ich Georgien, würde ich nicht trödeln. ... Nach und nach zerbröckelt der von Russland mühsam in den letzten 30 Jahren eroberte und aufgepäppelte toxische Gürtel aus Piratenterritorien vom Terek bis zur Memel: Ossetien, Abchasien, LDNR [die Separatistenrepubliken in der Ostukraine], die Krim, Transnistrien, Belarus - und Tschetschenien nicht zu vergessen. ... Die strategischen Versager im Kreml ahnen nicht, welche Büchse der Pandora sie am 24. Februar aufgemacht haben.“
Moskau verprellt beide Seiten
Russland wird seiner Vermittlerrolle nicht mehr gerecht, stellt die Süddeutsche Zeitung fest:
„Der Konflikt ist ungelöst, immer wieder gab es in den vergangenen Monaten Schusswechsel und Tote. Moskau hat dazu nie viel gesagt. Nun könnte Russland vollends zur Enttäuschung für beide Seiten werden. Für die Armenier, die sich angesichts aserbaidschanischer Angriffe erneut im Stich gelassen fühlen. Für die Aserbaidschaner, die Moskaus Soldaten in Bergkarabach als feindliche Macht betrachten müssen. Sollten sie wirklich versuchen, weitere Gebiete zu erobern, hätte Moskau als Friedensvermittler endgültig versagt.“