Ziehen China und Russland an einem Strang?
Erstmals seit Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die gesamte Ukraine haben sich die Präsidenten von Russland und China getroffen. Putin und Xi kamen zum Auftakt des Gipfels der Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit in Usbekistan zusammen. Putin dankte Xi für Chinas "ausgeglichene Position". Xi sagte, China wolle "Stabilität in eine chaotische Welt" bringen. Kommentatoren rätseln, was sich hinter den Worten verbirgt.
Der gemeinsame Feind verbindet
Laut La Stampa verstehen sich die beiden Staatschefs prima:
„Beide brandmarken den Westen mit seinen demokratischen Verlockungen als Verwirrung, Chaos und Schwäche - vor allem aber als tödliche Gefahr. Die Versuchung, sich zu verwestlichen, ist für beide ein absolutes Übel. ... Deshalb müssen die Identitäten ausgelöscht werden, der Ukrainer, die sich nicht an die große Mutter Russland erinnern wollen, die Identitäten der unruhigen Uiguren, der vom radikalen und nationalistischen Islam verführten Tschetschenen und der vom demokratischen Kolonialismus infizierten Bürger von Hongkong. Sie alle gehören umerzogen, wie es in der guten alten Zeit Stalins und des großen Steuermanns Mao geschah.“
Peking hat Zeit
Warum Xi sich nicht von Putin distanzieren wird, erklärt The Economist:
„Ihre Weltanschauung basiert auf einer gemeinsamen Feindseligkeit gegenüber amerikanisch geführten Allianzen in Asien und Europa, der Verachtung westlicher Mehrparteiendemokratien und der Forderung nach einer Sicherheitsordnung, die die 'legitimen Sicherheitsinteressen' souveräner Staaten achtet. ... Damit chinesische Interessen vorangetrieben werden, muss Russland nicht einmal alle seine Kriegsziele erreichen, geschweige denn dieses oder jenes Gebiet der Ukraine kontrollieren. Chinas kühl kalkulierte Priorität besteht darin, dass der von Amerika geführte Westen gespalten und geschwächt wird. Für China ist das ein Spiel auf lange Sicht.“
China hat andere Interessen
China wird das Risiko eines echten Schulterschlusses mit Russland kaum eingehen, meint die Frankfurter Allgemeine Zeitung:
„Tatsächlich ist die chinesische Position vom Bemühen gekennzeichnet, nicht in den Strudel der westlichen Sanktionen gezogen zu werden. Xi hat daheim (teilweise selbstverschuldet) eine schwierige wirtschaftliche Lage, einen Bruch mit den Handelspartnern in Europa und Amerika wird er sich nicht leisten wollen. Bei allem rhetorischen Schulterschluss dürfte Putins Beispiel in Peking eher abschreckend wirken. Dass ein Land seine praktisch einzige Einnahmequelle für einen unsinnigen Krieg aufs Spiel setzt, kann schwerlich das sein, was Xi mit 'Stabilität und positiver Energie in einer chaotischen Welt' meint.“
Gute Gründe halten die beiden Länder auf Distanz
La Vanguardia vermutet, dass Putin China um Hilfe gebeten hat, diese aber wohl kaum gewährt wird:
„Chinas Handelsbeziehungen mit den USA und Europa sind viel lohnender als die mit Russland - Peking möchte sie nicht gefährden. ... Und weil China und Russland beide danach streben, ihren Einfluss in bestimmten zentralasiatischen Ländern auszubauen, könnte es zu Differenzen kommen. Auch in Bezug auf die tatsächliche Macht der beiden Länder, die sicherlich nicht vergleichbar ist. ... Die Beziehungen zwischen Moskau und Peking bestehen zwar, aber sie sind weder gleichberechtigt noch grenzenlos.“
Perfekter Vasall
China kann seinen Einfluss in Russland leicht ausbauen, glaubt De Standaard:
„Denn China hat in Russland das ideale Reservoir gefunden für billige Energie und Grundstoffe. Es füllt in Windeseile das Vakuum, das europäische Unternehmen hinterlassen haben und wird so stärker. ... Das verzweifelte Russland ist der perfekte Vasallenstaat für China. Es muss betteln, kann aber selbst wenig bieten oder fordern.“
Eine Kooperation verhindern
Der Westen tut gut daran, dafür zu sorgen, dass die Zusammenarbeit zwischen China und Russland nicht ausgebaut wird, mahnt Postimees an:
„Obwohl die USA der Hauptrivale Chinas sind und die Chinesen die Unterstützung der Ukraine durch die Nato ablehnen, verstehen sie, dass sie als Verlierer dastehen, wenn sie Russland unterstützen und sich damit von der westlichen Wirtschaft isolieren. Auch können in China selbst vermehrt Zweifel aufkommen, ob es sinnvoll ist, sich stärker an den Verlierer Russland zu binden. Es ist im Interesse des Westens, selbstverständlich einschließlich der Ukraine, dafür zu sorgen, dass sich die Kooperation zwischen Russland und China nicht vertieft.“