Gipfel in Prag: Neue Gemeinschaft für Europa?
44 europäische Staats- und Regierungschefs haben sich am Donnerstag zur Gründung der Europäischen Politischen Gemeinschaft in Prag getroffen. Frankreichs Präsident Macron hatte ein solches erweitertes Forum im Mai vorgeschlagen. Über die EU hinaus soll es den Ländern Europas angesichts von Russlands Krieg eine Plattform für politische Koordinierung bieten. Kommentatoren loben die Initiative, sehen aber auch noch viel Arbeit.
Wer nicht hier war, wird es schwer haben
Mit dem Gipfel wurde in Prag Geschichte geschrieben, äußert nicht ohne Stolz die in der tschechischen Hauptstadt erscheinende Hospodářské noviny:
„Die Idee des französischen Präsidenten Emmanuel Macron, eine Europäische Politische Gemeinschaft zu schaffen, ist Teil eines gewaltigen Wandels, der derzeit in der europäischen Politik stattfindet. ... Macron geht es darum, einen Rahmen für den Dialog mit den europäischen Ländern zu haben, die nicht in der EU, aber für die Union strategisch wichtig sind. ... Diejenigen, die in Prag fehlten, werden es schwer haben, die anderen einzuholen. Oder sie werden - wie Russland und Belarus, die nicht eingeladen wurden - für sehr lange Zeit ausgeschlossen sein.“
Zukunft ohne Russland
Russlands Aggression zwingt das erweiterte Europa dazu, neue Antworten zu finden, betont Der Standard:
„Ab sofort wird an Europa nicht mehr mit Russland gebaut, sondern ohne Russland. Manche europäischen Regierungschefs, insbesondere in Osteuropa, sprechen davon, dass man nun an einem gemeinsamen Europa gegen Russland arbeiten müsse. ... Unter den EU-Regierungschefs findet sich niemand, der von einem baldigen Ende des Krieges in der Ukraine ausgeht. Im Gegenteil, man stellt sich auf einen langen 'eingefrorenen Konflikt' ein. ... Das heißt: Europa muss seine Wirtschaft, seine Energieversorgung, seine Sicherheits- und Verteidigungspolitik rasch und umfangreich umbauen, im Wissen, dass Moskau alles unternimmt, um das zu unterlaufen, um Europa zu spalten.“
Großbritannien wird gebraucht
Brüssel hat endlich die Bedeutung von Nichtmitgliedstaaten erkannt, freut sich The Daily Telegraph:
„Die bloße Existenz des neuen Gipfels bestätigt, dass der Anspruch der EU, für Europa zu sprechen, nicht mehr besteht. Die EU hat sich nun erstmals echte Mühe gegeben, die Anliegen von Nichtmitgliedern zu respektieren und zu akzeptieren, dass deren Stimme es verdient, genauso laut gehört zu werden. Macron braucht auch Großbritannien. Trotz all seiner Frustration über 'Les Anglo-Saxons' akzeptiert er, dass Großbritannien der einzige bedeutende militärische Partner für Frankreich ist und dass die Bekämpfung des russischen Revanchismus eine Zusammenarbeit zwischen den beiden erfordert.“
Neuer Club darf nicht unverbindlich sein
Die Europäische Politische Gemeinschaft ist ein guter Anfang, meint NRC Handelsblad:
„Braucht die Welt noch ein multilaterales Konsultationsorgan? Ja, sicher - in einer Zeit, in der Konsultationen so verschrien sind. ... Hinzu kommt, dass die EU wieder für andere interessant wird, nachdem Putin mit seinem Krieg weitere Nachbarländer erschreckt hat. ... Jeder weiß: Mitglied zu werden wird Jahre dauern. Wie gibt man einem Land in der Zwischenzeit doch das Gefühl, dazu zu gehören? Die Europäische Politische Gemeinschaft ist ein Teil der Antwort. ... Unverbindlich darf das nicht bleiben. Wenn die EU etwas zeigen muss in diesem Krieg, dann, dass sie die einzige glaubwürdige Alternative ist im aktuellen Wahnsinn. Das erfordert mehr als sporadische Treffen.“
Echte Erweiterungsperspektive schaffen
Piotr Buras von der europäischen Denkfabrik für Außenpolitik ECFR mahnt in L'Obs:
„Um die Nachbarschaft zu stabilisieren, wie Macron gesagt hat, muss die EU weit mehr tun, als eine neue Konferenz der Staatschefs einzurichten. ... Sie muss eine langfristige Vision für deren Integration in die Gemeinschaft vorschlagen, einschließlich vollständigem Zugang zu den vier Freiheiten der EU (freier Waren-, Kapital-, Dienstleistungs- und Personenverkehr), sobald die Staaten die Kriterien dafür erfüllen. Dieses Angebot würde nicht nur eine umfassende Hilfe für die langfristige Vorbereitung des EU-Beitritts enthalten, sondern auch den Zugang zu Kohäsionsfonds, wenn die Länder dem Binnenmarkt beitreten, bevor sie vollständige EU-Mitglieder werden.“