Berlin-Paris: Kein Treffen kommende Woche
Der für nächste Woche geplante deutsch-französische Ministerrat wurde auf Januar verschoben. Laut Bundesregierung gab es in einigen Fragen noch Abstimmungsbedarf. Auch hätten einige wichtige Minister nicht teilnehmen können. Von französischer Seite hieß es, es brauche ein Reset in einer Reihe von Punkten. Kommentatoren diskutieren, welche das sein könnten.
Deutschland wird Frankreich noch brauchen
Der deutsch-französische Motor der EU ist abgewürgt, stellt Der Tagesspiegel fest:
„Dabei spielen die Erschütterungen alter Gewissheiten infolge des Ukrainekriegs eine Rolle. Aber es ist auch eine Folge des Desinteresses der Ampel-Koalition unter Olaf Scholz, den Beziehungen zu Frankreich besonderes Gewicht einzuräumen ... . Dennoch ist es kurzsichtig, die Beziehungen zum wichtigsten Partner in Westeuropa zu vernachlässigen. ... Deutschland wird Frankreich noch brauchen - auch wenn sich das Gravitätszentrum der EU nach Osten verschiebt und Deutschlands Rolle damit stärkt. Denn die Regierungen in Polen oder Ungarn teilen viele Werte der EU nicht, pochen auf eigene Wege und sind nicht willens oder in der Lage, Kompromisse in der Gemeinschaft auszuhandeln.“
Endlich haut Macron auf den Tisch
Frankreich fühlt sich zu Recht von der deutschen Energiepolitik bedroht, konstatiert der Philosoph Jean-Loup Bonnamy in Le Figaro:
„Die französische Kernenergie hat als Hauptfeind die deutschen Machenschaften. ... Ob bei Gas und Gaspipelines oder bei der Kernenergie, die deutsche Politik ist eine Gefahr für unsere großen Energieversorger (und damit für unsere Haushalte und Unternehmen). ... Paris hat also Recht, wenn es gegenüber Berlin (endlich!) mit der Faust auf den Tisch haut. Ein Wermutstropfen bleibt jedoch. Denn Paris protestiert aus den falschen Gründen. ... Anstatt mehr europäischen Föderalismus zu fordern und von Deutschland mehr Engagement zu verlangen, sollte Macron sich für weniger Deutschland und weniger Europa einsetzen.“
Rüstungskooperation läuft nicht mehr glatt
Die Ampel führt Merkels Linie bei Rüstungsexporten nicht weiter, erklärt La Repubblica:
„In Berlin werden die Zweifel am Luftwaffensystem FCAS [Future Combat Air System] nicht kleiner, sondern größer. Macron hatte das Projekt dank seiner ausgezeichneten Beziehungen zu Angela Merkel trotz des Widerstands der deutschen Industrie durchsetzen können. Doch nun scheint der Deal wieder blockiert zu sein. Denn während Scholz und Verteidigungsministerin Christine Lambrecht bereit waren, Frankreichs Forderungen nach Rüstungsexporten nachzukommen, hat ihr grüner Wirtschaftskollege Robert Habeck deutlich strengere Regeln vorgelegt. ... Sie wurden noch nicht im Ministerrat erörtert, aber offenbar sind sie ein weiteres Hindernis in den Beziehungen zwischen Paris und Berlin.“
Auseinanderdriften ist nicht akzeptabel
Dass die inhaltlichen Unterschiede zwischen beiden Ländern offen ausgesprochen werden, hofft der Frankreich-Korrespondent der taz, Rudolf Balmer:
„Ohne eine glaubwürdige Basis der Zusammenarbeit von Paris und Berlin drohen die zentrifugalen Tendenzen in der EU unter der Belastung des Kriegs und der Energiekrise weiter zu verschärfen. Ein Auseinanderdriften ist nicht akzeptabel. ... Das deutsch-französische Paar kommt im Interesse der ganzen EU nicht darum herum, die Divergenzen beim Namen zu nennen und auf der Grundlage der echten Gemeinsamkeiten die Partnerschaft neu zu erfinden.“