G20-Gipfel: Ist die Abschlusserklärung ein Erfolg?
"Die meisten Mitglieder verurteilten den Krieg in der Ukraine aufs Schärfste", schreiben die G20-Staaten in der Abschlusserklärung zu ihrem Gipfel auf Bali. Russlands Position fand mit der Formulierung "Es gab andere Auffassungen und unterschiedliche Bewertungen der Lage" Platz. Zuvor war befürchtet worden, dass der Gipfel ohne gemeinsames Schlussdokument enden könnte. Kommentatoren sind erfreut, dass es doch anders kam.
Für Putin wird es eng
Der G20-Gipfel war ein diplomatisches Desaster für Russland, findet Die Presse:
„In der Abschlusserklärung stand schwarz auf weiß zu lesen, dass die meisten Mitglieder den Krieg in der Ukraine 'verurteilen'. … Es mehren sich Anzeichen für eine wachsende internationale Isolation Russlands. China wird zwar nie Sanktionen gegen seinen strategischen Partner mittragen. Doch es macht kein Hehl mehr daraus, dass es die Nase voll hat von diesem Krieg. Xi Jinping fühlt sich womöglich gar hinters Licht geführt von Putin. … Für Putin wird es eng. Auch Verbündete verlieren die Geduld mit ihm. Er muss einen Ausweg aus dem Krieg finden. Umso nervenstärker sollte der Westen bleiben. … Es kann sein, dass Putin ein Verhandlungsfenster mit Joe Biden öffnet.“
Indien wird Russland in der G20 halten
Kommersant hofft nun auf Indien als Ausrichter des nächsten Treffens im Jahr 2023:
„Zufälligerweise ist es nun Indien, das die G20 retten (oder beerdigen) muss. Wobei es vielleicht das einzige Land der Welt ist, das den Grundsatz der Autonomie in seiner Politik vollständig umgesetzt hat, da es gelungen ist, strategische Partnerschaften sowohl mit den USA als auch mit Russland zu unterhalten. Ganz nach einer eigenen alten Weisheit: 'Es gewinnt, wer weder siegt noch verliert.' ... Alles in allem wird die G20 mit einem Vorsitzenden Modi sicher nicht antirussisch sein - denn er wird alles tun, um die G20 vor dem Abgleiten ins Koma zu bewahren und sie zu reanimieren.“
Gute Nachrichten aus Indonesien
Die internationale Zusammenarbeit funktioniert noch, jubelt L'Opinion:
„Jegliche Infragestellung des Multilateralismus zugunsten eines auf nationalen Egoismen basierenden Ansatzes birgt beachtliche Gefahren. ... So gesehen kann man sich über die lange Abschlusserklärung der G20 freuen. 'Die meisten' Mitglieder 'verurteilen den Krieg in der Ukraine aufs Schärfste', auch wenn 'andere Ansichten geäußert wurden'. Doch die einfache Tatsache, dass alle Länder, einschließlich Russland, akzeptieren, ein solches Dokument zu unterzeichnen, zeigt, dass der Kampf für den Multilateralismus nicht verloren ist. Das ist eine gute Nachricht.“
Auch ein Erfolg für Scholz
Für die Einigkeit der G20 hat Scholz die Vorarbeit geleistet, meint das Handelsblatt:
„Der Kanzler musste viel Kritik dafür einstecken, dass er als erster Staatschef vor eineinhalb Wochen direkt nach derWiederwahl Xi Jinpings nach China reiste. Doch durch die Verständigung von Bali kann Scholz sich zugutehalten, dass Xi nach dem Treffen mit Scholz erstmals die Drohung mit atomaren Waffen kritisierte - und Scholz damit der G20-Einigung zumindest mit den Boden bereitete. ... Stand der Kanzler lange wegen seiner zögerlichen Haltung in Sachen Waffenlieferungen an die Ukraine in der Kritik, kann er den G20-Gipfel nun als außenpolitischen Erfolg verbuchen.“