Was taugt die COP27-Abschlusserklärung?
Nach 36-stündiger Verlängerung ist die 27. Uno-Klimakonferenz zu Ende gegangen. Ein Entschädigungsfonds soll ärmeren Staaten helfen, die Folgen der Erderhitzung abzufedern. Ein Abschied von Öl und Gas wird dagegen nicht erwähnt. Uno-Generalsekretär António Guterres und EU-Vize Frans Timmermans zeigten sich enttäuscht. In Europas Presse gibt es aber auch positive Urteile.
Meilenstein der Diplomatie
Avvenire freut sich über den vereinbarten Entschädigungsfonds:
„In die Finsternis der internationalen Politik hat der Gipfel von Sharm el-Sheikh einen, wenn auch kleinen, Lichtblick gebracht. ... Ausnahmsweise ist es den Ländern an der geopolitischen Peripherie gelungen, sich gegenüber den Großen durchzusetzen. Die Verpflichtung des Nordens zur finanziellen Unterstützung der Länder, die unter den verheerenden Auswirkungen der globalen Erwärmung leiden, ist ein Meilenstein in der Diplomatie, und zwar nicht nur in der Klimadiplomatie.“
Klimaschutz muss wieder im Zentrum stehen
Was die Konferenz zur Eindämmung der Erderwärmung erreicht hat, ist mager und beachtlich zugleich, findet Der Standard:
„Es gab sogar einen ziemlich beachtlichen Durchbruch: Die Entwicklungsstaaten setzten sich gegen die EU und die USA darin durch, einen eigenen Fonds für den Umgang mit Klimaschäden zu bekommen. ... Für viele Staaten war das ein wichtiger Durchbruch bei der Frage, wer die Verantwortung für die Schäden und Verluste übernimmt. Damit die Folgen der Erderhitzung aber nicht noch viel schlimmer werden, muss es jetzt wieder um das Thema gehen, das traditionell im Zentrum von Klimakonferenzen steht: um den Klimaschutz selbst. In diesem Punkt hat Sharm el-Sheikh versagt.“
Das Image der EU hat Schaden genommen
Correio da Manhã ist unzufrieden mit den Ergebnissen der COP27:
„Der jetzt beschlossene Ausgleich, der für die von den Auswirkungen des Klimawandels am stärksten betroffenen Länder sicherlich wichtig ist, kann nicht verhindern, dass Afrika zur 'Wüste' wird, wie es Guterres am Ende des Treffens ausdrückte. Nach fast zwei Wochen Treffen auf höchster Ebene wurde von den Herren der Welt mehr erwartet. Die Europäische Union, die damit gedroht hatte, die Konferenz zu verlassen, als Druck auf sie ausgeübt wurde, das 1,5-Grad-Ziel aufzuweichen, kam auch nicht gerade gut aus der Konferenz heraus. Die EU hat selbst ihre Ziele zur Verringerung der Treibhausgase verfehlt und das Ziel des Ausstiegs aus der Nutzung fossiler Brennstoffe nicht erreicht.“
Der entscheidende Kampf unserer Zeit
El País glaubt, dass die Zeichen für die Energiewende nie besser standen:
„Im Jahr 1972 fand in Stockholm die erste Weltkonferenz über die Umweltprobleme der Menschheit statt. ... Die derzeitige globale Energiekrise ist ein Wendepunkt wie die Ölschocks von 1973 und 1979. ... Zum ersten Mal in der Zeitgeschichte sprechen drei gewichtige Gründe für einen solchen Wandel: der Klimanotstand, die hohen Kosten fossiler Energie und die Erkenntnis, dass die Abhängigkeit von Öl- und Gasimporten eine strategische Schwachstelle darstellt. ... Die Bewältigung des Klimaproblems ist der entscheidende Kampf unserer Zeit, und die Energiewende ist die zentrale Lösung.“
Symptombekämpfung ist Kapitulation
De Volkskrant ist ernüchtert:
„Arme Länder haben am wenigsten zur Klimaveränderung beigetragen, sind aber am stärksten gefährdet. Dass reiche Länder dieses jetzt endlich anerkennen, ist in jedem Fall ein moralischer Fortschritt. ... Zugleich ist diese Anerkennung auch eine Art Kapitulation. Das Stoppen der Erwärmung wird jedes Jahr schwieriger, während die Dringlichkeit größer wird. Der Gipfel hat in diesem Jahr nicht zu neuen konkreten Absprachen geführt, den Ausstoß von Treibhausgasen zu verringern. Offensichtlich ist die Idee jetzt: Ja, für die Erde beginnt eine neue Phase, und ja, der Schmerz wird dabei ungleich verteilt sein, und das einzige, was wir tun können, ist, die Folgen ein wenig auf gerechte Weise zu lindern.“
Kniefall vor der Öl-Lobby
De Morgen beklagt die Schwäche der EU:
„Der Klimagipfel ist eingeknickt unter dem Druck großer Öl- und Gasproduzenten und -konsumenten wie Saudi-Arabien, China und Russland. Durch die hohen Energiepreise hatte die EU diesmal auch weniger politischen Spielraum. Jetzt strengere Ausstoßnormen aufzuerlegen, hätte sicher zu neuen Preiserhöhungen geführt. Das will im Kampf gegen die Inflation auch der Westen vermeiden. ... Solche schmerzhaften Kniefälle können vermieden werden, wenn Europa endlich seinen großen Schwachpunkt beseitigt: das Fehlen einer politischen und wirtschaftlichen Energie-Union. Ohne Einstimmigkeit bei klimafreundlicher Energie werden unsere Meinungsverschiedenheiten auch auf den nächsten Klimagipfeln gnadenlos ausgenutzt.“
EU kann Führungsrolle behalten
Dass die Europäische Union ihren Widerstand gegen den Fonds aufgab, hat am Ende für einen kleinen Lichtblick gesorgt, freut sich Le Temps:
„Die COP27 wird die rasante Entwicklung des Klimawandels nicht rückgängig machen können. Doch anstatt sich über eine magere Bilanz zu ärgern, die bereits vor Beginn des Treffens in Scharm el-Scheich befürchtet wurde, sollten wir das kleine Licht am Ende des Tunnels sehen, das sich am Samstagabend zeigte. … Durch die Bereitschaft, eine Position zu überdenken, die viele für unflexibel hielten, verweist die Europäische Union (EU) auf die führende Rolle, die sie bei einer der größten Herausforderungen des Jahrhunderts spielen kann.“
Kleine Gremien statt Großkonferenzen
Die UN-Klimakonferenz ist in ihrer derzeitigen Form gescheitert, klagt Klimaforscher Bill McGuire in The Guardian:
„Es braucht ein Format, das weniger schwerfällig und besser lenkbar ist - eines, das schlanker ist und sich voll auf die kritischsten Aspekte der Klimakrise konzentriert. Es sollte seine Arbeit abseits der medialen Öffentlichkeit verrichten und keinen derart offensichtlichen Honigtopf für die fleißigen Bienen des fossilen Brennstoffsektors darstellen. Eine Option könnte sein, eine Reihe kleinerer Gremien ins Leben zu rufen, die sich jeweils mit einem der Schlüsselthemen befassen – insbesondere Energie, Landwirtschaft, Abholzung, Transport, Schäden sowie sich daraus ergebende Schadenersatzansprüche.“
Es stellt sich die Systemfrage
Ob man solche Entscheidungen überhaupt auf demokratischem Weg treffen kann, fragt sich die Berliner Zeitung:
„Wäre nicht mehr Radikalität nötig? Wäre nicht eine 'gute Ökodiktatur' sinnvoll, um den Weltuntergang zu verhindern? ... Andere sagen: Wir brauchen endlich echten Ökokapitalismus, einen knallharten Wettbewerb für die besten technischen Klimalösungen und einen weltweiten Markt ... . Es wird also mal wieder die Systemfrage gestellt, und der Ausgang der Debatte ist offen. ... Die meisten wissen zwar, dass das ewige kapitalistische Versprechen von Wohlstand und Wachstum eigentlich längst an seine Grenzen gekommen ist und dass Verzicht unverzichtbar ist. Aber die ganze Wirtschaft ist auf Wachstum angelegt, und kaum eine Partei kann Wahlen mit dem Motto gewinnen: Verzicht ist geil.“