Rumänien vs. Ukraine: Falsche Zeit für Umweltschutz?
Hat die Ukraine für mehr Schiffsverkehr den Bystre-Kanal im geschützten Donaudelta unerlaubt von 3,9 auf 6,5 Meter vertieft? Dies hatte das ukrainische Infrastrukturministerium getwittert, den Tweet aber wieder gelöscht - man habe nur Instandhaltungen durchgeführt. Was wirklich passiert ist, bleibt unklar, auf der rumänischen Delta-Seite kochte die Empörung dennoch hoch. Doch für manche ist jetzt nicht der Moment, die Ukraine anzugehen.
Mangel an Gespür
Der Streit vermittelt einen falschen Eindruck von der Haltung Rumäniens zur Ukraine, heißt es bei republica.ro besorgt:
„Die Reaktion der rumänischen Institutionen ist im Grunde berechtigt (die Ukraine hat zugegeben, dass der Bystre-Kanal tiefer ausgehoben wurde, als es die Vorschriften zulassen), schürt aber nur die anti-ukrainische und pro-russische Propaganda. Wie am Spieß zu brüllen, dass einem die Ukraine auf die Füße getreten ist, während die Ukraine von Russland die Pistole an den Kopf gehalten bekommt, zeugt im besten Fall von Mangel an emotionaler Intelligenz und politischem Gespür. Die Folge ist, dass vor der Welt der Eindruck entsteht, Rumänien habe Probleme mit der Ukraine und nicht mit Russland. Was das Land zu Unrecht auf eine Stufe mit dem Ungarn eines putinistischen Orbán stellt.“
Verstöße sind Verstöße
Das Problem muss offen diskutiert werden, auch wenn sich die Ukraine im Krieg befindet, fordert dagegen Evenimentul Zilei:
„Die unsinnigen Vorwürfe, dass man hier russische Propaganda betreibe, sind klassisch, wenn man einen Missstand unter den Tisch kehren will. Nur hat das Ganze einen großen Fehler: Die Ukrainer vertiefen den Bystre-Kanal, ohne [Rumänien] um Erlaubnis zu fragen, sie verletzen internationale Verträge. Sie haben gelogen, dass sie nur die Fahrrinne instand setzen würden (es wäre das erste Mal in der Geschichte, dass bei der Reinigung eines Flussbettes dessen Tiefe verdoppelt wird). Morgen oder übermorgen beginnen sie womöglich noch mit dem Bau eines Wasserkraftwerkes am Bystre-Kanal und wir schauen tatenlos zu.“
Umweltbedenken auch auf ukrainischer Seite
Gute Gründe gegen einen Ausbau des Kanals sieht thepage.ua:
„Von Anfang an haben sich Umweltschützer, darunter auch ukrainische UmweltschützerInnen, aktiv gegen diese Arbeiten gewehrt. ... Es besteht die begründete Befürchtung, dass der Bau und der Betrieb dieses Kanals negative Auswirkungen auf das Donaudelta und die Küstenzone der Bystre-Mündung haben werden. Darüber hinaus kann der Bau der Dämme grenzüberschreitende Auswirkungen haben, da sich die Art der Erosion und der Sedimentbewegung ändert. Die Vertiefung des Kanals wird das Volumen des durchfließenden Wassers erhöhen, was sich auf die Strömungsmuster anderer Arme auswirken wird und negative Folgen für das Donaudelta haben kann.“
Diplomatischer Weg wäre angesagt gewesen
Der Streit hätte hinter den Kulissen ausgetragen werden müssen, ärgert sich Spotmedia über die öffentliche Kritik von Politikern:
„Wo war der bilaterale Dialog zum Thema, bevor man öffentliche Botschaften in nationalistischer Manier gesendet hat? Ein Streit, der auf diplomatischer Ebene hätte erörtert werden müssen, wurde auf populistische Weise in die Arena geworfen: ein Knochen, der die Rumänien aufwiegelt und das russophile Narrativ bedient, bei dem die Ukraine nicht (nur) das Opfer ist, sondern auch der Aggressor (in diesem Fall der Aggressor gegen das Donaudelta).“