US-Journalist Gershkovich in Russland verhaftet
Evan Gershkovich, Korrespondent des Wall Street Journal, ist bei einer Recherche im wichtigen Rüstungsindustriestandort Jekaterinburg festgenommen worden. Gershkovich wird Spionage vorgeworfen, er muss zunächst für zwei Monate in Untersuchungshaft. Bisher betrafen die Einschränkungen der Pressefreiheit in Russland akkreditierte Journalisten aus dem Ausland deutlich weniger. Hat sich das nun geändert?
Auch seine Kollegen können zu Geiseln werden
Der in den USA lebende russische Journalist Pawel Kanygin warnt auf seinem Facebook-Kanal westliche Kollegen in Russland:
„Die Spionagevorwürfe sind absurd und bewegen sich auf dem Niveau von 'Die Nato wollte uns angreifen'. Das ist einfach Blödsinn. ... Höchstwahrscheinlich hatten sie ihn schon lange im Visier. ... Wahrscheinlich ist Evans Verhaftung einfach ein zynisches Auffüllen des 'Austauschfonds': Ein Ausländer wird als Geisel genommen, um später gegen vom Kreml gewünschte Personen ausgetauscht zu werden. Es gibt immer noch viele westliche Journalisten, die in Russland akkreditiert sind. Evans Fall erhöht das Risiko für sie alle.“
Das freie Wort als größte Gefahr
Für ausländische Medien wird die Arbeit in Russland nach diesem Vorfall noch schwieriger, befürchtet auch die Frankfurter Allgemeine Zeitung:
„Über den Korrespondenten schwebt seit vergangenem März das Damoklesschwert eines Zensurgesetzes, das schon unter Strafe stellt, den Krieg einen Krieg zu nennen. ... Jetzt sagt die Sprecherin des russischen Außenministeriums, dass nicht nur Gershkovich, sondern auch andere Korrespondenten ihren Status für Spionage missbraucht hätten. Leider steht zu befürchten, dass damit in Wirklichkeit die normale Recherche gemeint ist, denn nichts fürchtet der Kreml mehr als das freie Wort.“
Unverhältnismäßiges Risiko eingegangen
Der Politologe Nikolai Mitrochin kritisiert Gershkovich auf Facebook:
„Wie realitätsfern und eingebildet muss man sein, um sich in einem unverhohlen antiamerikanischen Land, das sich im Krieg befindet, das eine brutale Diktatur ist mit einer druckfrischen, de facto terroristischen Gesetzgebung, in eine der repressivsten Städte zu begeben und auf eigene Faust Soldaten oder Söldner zu befragen? Und das mit dem FSB im Nacken. ... Jetzt müssen die USA ihn gegen einen echten russischen Spion eintauschen. Und sie haben bereits die Evakuierung der übrigen US-Bürger angekündigt, denen er mit dieser dummen Aktion eine Falle gestellt hat. ... Die Frage ist auch bei der Informationsgewinnung immer die des Verhältnisses von Preis und Ergebnis.“