EU: Schluss mit dem Einstimmigkeitsprinzip?
Eine Gruppe von neun EU-Mitgliedern setzt sich dafür ein, Vetos abzuschaffen und in der Außen- und Verteidigungspolitik auf das Prinzip von Mehrheitsentscheidungen zu setzen, damit Einigungen schneller erreicht werden können. Ungarn und Polen gehören offenbar zu denjenigen, die sich dem entgegenstellen wollen, weitere Länder könnten folgen.
Veto ist eine Frage der Demokratie
Die Möglichkeit zum Widerspruch sollte bestehen bleiben, meint der Anwalt Attila Ádám in der regierungsnahen Tageszeitung Magyar Nemzet:
„Wenn das Vetorecht abgeschafft wird in Angelegenheiten, die erhebliche nationale Interessen oder grundlegende nationale Zuständigkeit betreffen, wie könnte die politische Verantwortung gegenüber den Wählern eines Mitgliedstaats für einen gegen ihren Willen gefassten Ratsbeschluss durchgesetzt werden? Im Grunde genommen gar nicht. ... Im Gegensatz dazu können die Wähler im Fall einer einstimmigen Entscheidungsfindung ihre eigenen Regierungen für ihre Beteiligung an nachteiligen EU-Beschlüssen zur Rechenschaft ziehen.“
Ungarn erpresst die gesamte EU
Rzeczpospolita sieht in Polen ein Umdenken im Gang:
„Ungarn erpresst die gesamte Gemeinschaft, um die Hilfe für die Ukraine zu verzögern oder die Sanktionen gegen Russland zu lockern. ... Ohne Ungarns geradezu krankhaftes Verhalten, das die Ostpolitik der EU sabotiert, gäbe es diese Diskussion jetzt gar nicht. Das Veto war als letztes Mittel gedacht und wurde selten genutzt. Es war in Polens Interesse, dieses Instrument zu erhalten. Das Verhalten Budapests, das EU-Entscheidungen auch dann blockiert, wenn sie in keiner Weise die grundlegenden Interessen Ungarns verletzen, zwingt jedoch zum Umdenken in Bezug auf das außenpolitische Veto.“
Machtmittel der Bremser abschaffen
El País hält die Abschaffung des Vetos für dringend nötig:
„Die illiberalen Regierungen in Ungarn und Polen fordern die EU heraus, indem sie die Rechtsstaatlichkeit angreifen, das Konjunkturprogramm Next Generation blockieren oder indem Budapest zögert, die Ukraine weiter zu unterstützen. Damit lähmen sie die Umsetzung von Maßnahmen, die von den anderen Mitgliedern weitgehend geteilt werden. ... Es ist Unsinn, die EU zu erweitern und gleichzeitig dieses Instrument [der Einstimmigkeit] beizubehalten. ... Es geht dabei um [Integration], denn Erweiterungen könnten die EU noch schwerfälliger machen. Sie sollte heute keine Kompromisse eingehen, die sie morgen vielleicht nicht halten kann.“