Griechenland: Was bedeutet Mitsotakis' Wahlsieg?

Die liberal-konservative Nea Dimokratia von Premier Kyriakos Mitsotakis ist nach Auszählung fast aller Stimmen mit 40,5 Prozent deutlich stärkste Kraft bei der neuerlichen Parlamentswahl in Griechenland geworden. Zweite wurde die linke Syriza von Ex-Regierungschef Alexis Tsipras mit 17,8 Prozent. Drei ultrarechte Kleinparteien gewannen zusammen fast 13 Prozent. Kommentatoren fragen nach den Folgen für Europa.

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Salzburger Nachrichten (AT) /

Verlässlicher Partner für den Westen

Die Salzburger Nachrichten betonen die sicherheitspolitische Bedeutung des Landes an der Südostflanke der Nato:

„Während die Türkei mit ihrer russlandfreundlichen Politik und der Blockade der Nato-Nordweiterung die Geduld ihrer Verbündeten strapaziert, ist Griechenland zu einer wichtigen Drehscheibe für die Militäroperationen der westlichen Allianz in Osteuropa und am Schwarzen Meer geworden. Tsipras flirtete in den Krisenjahren mit Russland, Venezuela und Kuba. Unter Mitsotakis ist Griechenland für den Westen wieder zu einem Partner geworden, dem man vertraut. Kein Wunder, dass die Griechen am Sonntag nicht für neue radikal-linke Experimente, sondern für Kontinuität und Stabilität gestimmt haben.“

Polityka (PL) /

Europa erlebt einen Rechtsruck

Polityka ist besorgt:

„Die Ergebnisse dieser Wahl sind für Europa äußerst beunruhigend. Mit Griechenland gibt es ein weiteres Land, in dem die internen institutionellen und demokratischen Mechanismen nicht in der Lage sind, das Machtstreben einzudämmen; wo die Medien unter Druck gesetzt werden und der Sieg mit einer Politik des Hasses und der Dämonisierung von Menschen aus anderen Ländern und Kulturen errungen werden kann. Nicht zu unterschätzen ist auch die Rolle der extremen Rechten, die zwar nicht (mit-)regiert, aber Macht ausübt und eine stabilisierende Rolle für die Regierung spielt. ... Im Juli finden in Spanien Wahlen statt, und das Szenario könnte sich wiederholen. ... Die Radikalen dringen in den europäischen Mainstream ein.“

Kathimerini (GR) /

Endlich wird Griechenland reformiert

Die regierungsnahe Kathimerini hat uneingeschränktes Vertrauen in Mitsotakis' Fähigkeiten:

„Die Frage, die seit Jahrzehnten unbeantwortet geblieben ist, lautet, ob Griechenland wirklich reformfähig ist und ein modernes, normales europäisches Land werden kann. Der überwältigende Sieg von Kyriakos Mitsotakis am Sonntag verleiht ihm die einzigartige und historische Fähigkeit, diese Frage zu beantworten. Er hat keine wirklichen Rivalen, keine wirkliche Opposition. Er hat ein tiefes Verständnis für die Probleme, denn er hat einen Verstand wie ein Laserstrahl. ... Die Kräfte, die das Land zurückwerfen wollen oder einfach Angst vor Fortschritt und Veränderung haben, sind stark, und der Kampf gegen sie wird hart sein. ... Die Herausforderung muss gewonnen werden.“

La Stampa (IT) /

Wirtschaftsdaten sprechen trotz allem für ihn

Die Griechen haben die wirtschaftliche Stabilität gewählt, analysiert La Stampa:

„Trotz der Abhörskandale gegen gegnerische Politiker und Journalisten, trotz des Zugunglücks in Tempi im vergangenen Februar, trotz des Bootsunglücks in Kalamata vor zehn Tagen siegt der konservative Mitsotakis und wird für weitere vier Jahre regieren. ... Der Hauptgrund ist laut Analysten sein Umgang mit der Wirtschaft. ... Die Arbeitslosigkeit ist von 19 Prozent auf 11 Prozent gesunken. Die Bürokratie ist abgebaut, der Staat digitalisiert. Die Regierung hat die Steuern für Unternehmen gesenkt, und multinationale Unternehmen wie Microsoft, Google und Pfizer investieren. Die Krise drückt zwar auf die Einkommen der Haushalte, aber die Wachstumsprognose liegt bei 2,4 Prozent.“

tagesschau.de (DE) /

Die Nation geht vor

tagesschau.de sieht einen sich verfestigenden Trend:

„Lieber werden ein paar Freiheiten und Grundrechte zugunsten von Stabilität geopfert. Über politische Skandale, Machtkonzentration, Umgang mit Pressefreiheit, Pushbacks wird hinweggesehen. Die Nation geht vor - wie immer häufiger in Europa. Griechenland war aber - selbstverschuldet - auch lange genug unter der strengen Aufsicht der EU. Es gehört zum verbindenden Nationalstolz, die Schuldenkrise überwunden zu haben - und es soll nie wieder passieren. Auch deswegen wählt eine Mehrheit Mitsotakis, den Wirtschaftsfachmann mit internationalen Abschlüssen.“

TVXS (GR) /

Keine effektive Opposition

Das Webportal TVXS warnt:

„Die erneute Wahlniederlage von Syriza, aber auch die Unfähigkeit der [sozialdemokratischen] Pasok-Kinal, ihren Stimmenanteil weiter zu erhöhen, schafft einen gefährlichen Zustand: Es gibt keine effektive und effiziente Kontrolle über die dominierende Nea Dimokratia mehr, die in den vergangenen vier Jahren im Amt bereits Eigenschaften eines Regimes gezeigt hat. ... Nach dem erneuten Aufstieg der extremen Rechten sind die rechten Kräfte insgesamt stärker als die gesamte Linke und mittlere Linke. ... Wir können uns den Luxus der Passivität angesichts einer unkontrollierbaren Regierung, die den Abhörskandal und andere traurige Ereignisse auf ihrem Konto hat, nicht mehr leisten.“

Efimerida ton Syntakton (GR) /

Griechenland hat jetzt seine eigene Alt-Right

Die Linke hat viel Arbeit vor sich, schreibt Efimerida ton Syntakton:

„In Griechenland weht, wie fast überall auf der Welt, ein ultrakonservativer Wind, und das heutige Wahlergebnis bestätigt dies. Es gibt keine griechische Ausnahme, wie sich bereits 2012 zeigte, als Chrysi Avgi ins Parlament einzog. Heute sitzen die Naziführer im Gefängnis, aber mit dem Segen von Kasidiaris [Ex-Sprecher von Chrysi Avgi] werden sie von den 'Spartanern' abgelöst. ... Griechenland hat jetzt seine eigene Alt-Right, mit all ihren Spielarten: Rassismus, Nationalismus, Verschwörungstheorien und Bigotterie. … Die Linke muss zeigen, dass sie über Reserven an Kampfbereitschaft, Geduld, Organisation und systematischer Arbeit verfügt. Wie es scheint, wird sie gezwungen sein, wie ein Lachs gegen den Strom zu schwimmen.“