Polen: Aufregung um Filmpreis für Agnieszka Holland
Das Drama Zielona granica (deutsch: Grüne Grenze) der polnischen Regisseurin Agnieszka Holland über Flüchtlinge an der Grenze zwischen Belarus und Polen ist auf den Filmfestspielen in Venedig mit dem Sonderpreis der Jury geehrt worden. Zum Unmut polnischer Regierender: Polens Justizminister Zbigniew Ziobro warf Holland auf der Plattform X vor, anti-polnische Propaganda wie die Nazis zu machen. Nun will die Regisseurin ihn wegen Verleumdung verklagen.
Ein Streifen für die Geschichtsbücher
Ein Zeichen der Zeit erkennt Gazeta Wyborcza:
„Der Sonderpreis in Venedig für Agnieszka Hollands Film Zielona granica zeigt die Ohnmacht des Regierungslagers. An der Hasskampagne gegen die herausragende polnische Regisseurin beteiligen sich nicht nur die Handlanger des Regimes, auch hochrangige Politiker sind persönlich involviert. Sie verleumden, beleidigen und bespeien die Autorin, und mit ihr die gesamte patriotische polnische Intelligenz. Doch ohne Erfolg. Hollands Film triumphiert. Er ist bereits zu einem Zeichen der Zeit geworden, wie 1968 [die verbotene Inszenierung des Stücks] Dziady von [Kazimierz] Dejmek. Die jungen Leute werden später einmal über diesen Film in den Geschichtsbüchern lesen.“
Die Regisseurin gibt die verfolgte Unschuld
Das PiS-nahe Webportal wPolityce hält Agnieszka Hollands Engagement für eine Pose:
„Es gibt nichts Besseres, als sich die Aura eines verfolgten Künstlers zuzulegen. Auf den Werbeslogan eines vom Regime unterdrückten Künstlers hin öffnen sich alle Türen zu den Salons der 'progressiven' Kreise. Vor allem, wenn das Werk ein antipolnisches Narrativ trägt. Agnieszka Holland weiß das nur zu gut. Es ist nicht das erste Mal, dass sie auf diese Weise für sich wirbt. Aber warum kann sie so schlecht mit Kritik umgehen? Da es ihr die Meinungsfreiheit erlaubt, Grenzschutzbeamte als Kriminelle zu bezeichnen, warum will sie dann den Justizminister wegen ein paar starker Worte über sie verklagen?“
Ein Wagnis, Polen zu kritisieren
Český rozhlas bedauert die niedrige Erregungsschwelle der PiS-Regierung in Warschau:
„Der Streit um den Film spiegelt die gesamte Widersprüchlichkeit des heutigen Polens wider. Ein Land, das immer noch demokratisch ist, aber viele interne Probleme hat. Die Probleme resultieren hauptsächlich aus der äußerst nationalistischen Politik der herrschenden Gruppe. Die derzeitigen Machthaber Polens hassen Kritik, sie haben nicht die Absicht, sich an die Regeln der Rechtsstaatlichkeit und der Demokratie zu halten, ganz zu schweigen von unabhängigen öffentlich-rechtlichen Medien. ... Ein Land, in dem solche Dinge passieren, ist nicht gesund. Die Verdienste Polens bei der Hilfe für die Ukraine können nicht darüber hinwegtäuschen.“