Slowakei vor einer pro-russischen Kehrtwende?

Die slowakischen Parlamentswahlen am Samstag könnten Ex-Premier Robert Fico erneut an die Regierung bringen. Der Populist, dem die Justiz kriminelle Umtriebe vorwirft, positioniert sich lautstark gegen die Unterstützung der Ukraine. In den Umfragen führt Ficos Partei Smer knapp vor der liberalen Progresívné Slovensko des EU-Abgeordneten Michal Šimečka. Europas Presse betont die Bedeutung dieses Urnengangs.

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Sme (SK) /

Es droht ein Exodus enttäuschter Bürger

Umfragen sprechen davon, dass bei einem Sieg von Fico bis zu 15.000 Slowaken ihr Land verlassen würden, was Sme gut nachvollziehen kann:

„Diese Menschen werden diesem Land nach 30 Jahren keine weitere Chance mehr geben wollen. Die meisten von uns werden jedoch hierbleiben. Aber mit einem Gefühl der Sinnlosigkeit. Dem Gefühl, dass diesem Land weitere vier Jahre geraubt wurden, die wir hätten nutzen können. ... Der abgedroschene Satz, dass 'jede Nation die Regierung verdient, die sie wählt', wird uns einholen, denn gestraft mit Ficos vierter Regierung - diesmal womöglich mit Faschisten - werden allen die Knie weich werden, unabhängig davon, ob sie für ihn gestimmt haben.“

Stuttgarter Zeitung (DE) /

Ein weiterer EU-Blockierer ante portas

Europa darf die Bedeutung der Wahlen nicht unterschätzen, warnt die Stuttgarter Zeitung:

„Der einst geschasste Ex-Premier [Fico] weiß in Zeiten einer sich zerfleischenden und lahmgelegten Regierung den Wunsch vieler Slowakinnen und Slowaken nach starker Führung zu bedienen. Und er weiß es offenbar so gut, dass viele hinwegsehen über die ihm nachgesagten Verbindungen zur Mafia und die dunklen Kapitel seiner Regierungszeit ... . Doch im Falle der Rückkehr Ficos an die Macht sollte Europa nicht nur in Bezug auf Oligarchentum und Korruption eine Handschrift erwarten, die man in der Union bisher vom Ungarn Viktor Orbán kennt. Brüssel darf sich auch auf einen weiteren Blockierer einstellen – ausgerechnet in Fragen, die zähe Verhandlungen kaum vertragen.“

Pravda (SK) /

Meinungsblasen behindern reale Debatten

Für Pravda hat der Wahlkampf eine Systemschwäche offenbart:

„Die slowakische Gesellschaft ist sehr polarisiert und gespalten. Anstelle eines inhaltlichen Dialogs zwischen den Lagern geraten wir in unsere Meinungsblasen. Die sind zwar warm und sicher, tragen aber überhaupt nicht zum gegenseitigen Verständnis und zur Zusammenarbeit bei. ... Die Vermeidung von Dialog und gemeinsamer Problemlösung ist im 21. Jahrhundert wirksames politisches Marketing, aber auch ein Krebsgeschwür. Demokratie heißt Debatte. Und es ist unsere gemeinsame Aufgabe, Gespräche darüber zu führen, wer wir sind, was die grundlegenden Probleme sind und welche Art von Gesellschaft wir wollen. In diesem Zusammenhang sind Wahlen nur eine 'Formalität' und der Schlusspunkt einer diskursiven Phase.“

Respekt (CZ) /

Wichtiger als die polnischen Wahlen

Respekt aus dem benachbarten Tschechien hält fest:

„Ein viertes Kabinett Fico würde die Entwicklung des Landes stoppen. Die Slowakei würde sicherlich überleben, aber der Preis wäre enorm. Im besten Fall Stagnation, im schlimmsten Fall die Entstehung einer Art Klons von Viktor Orbáns Ungarn. Mit anderen Worten, ein Übergang zum Status eines nichtdemokratischen Landes. Wie Orbán blicken auch Fico und seine potenziellen Koalitionspartner zu Putin auf. Seine Herrschaft wäre daher eine Bedrohung für ganz Europa. In dieser Hinsicht sind die Wahlen wichtiger als die polnischen.“

hvg (HU) /

Überlebenskampf gegen den Rechtsstaat

Diese Wahl könnte zum Niedergang der Demokratie führen, fürchtet die Chefredakteurin der slowakischen Tageszeitung Sme in hvg:

„Mit Ficos Sieg könnte sich vieles ändern. Für ihn ist der Sieg eine Existenzfrage geworden. In einem funktionierenden Rechtsstaat könnte er seine korrupten Leute, Verbündeten und Sponsoren, die ihm das Überleben sichern, nicht verteidigen. Ficos Kampf ist nicht ideologisch, es geht nicht um rechts gegen links, liberal gegen konservativ. Es ist ein korruptes oligarchisches System, das an die Macht zurückkehren will, in der Hoffnung, dass die Dämmerung der liberalen Demokratie gekommen ist. ... Wenn Fico gewinnt, könnte er sich in die Richtung eines Regimewechsels im Stil Orbáns bewegen. “

Corriere della Sera (IT) /

Eine große Gefahr für Europa

Corriere della Sera blickt mit Sorge auf den Samstag:

„Fico war bereits mehrfach slowakischer Premier. ... Bis er vor fünf Jahren zum Rücktritt gezwungen wurde, nachdem der Journalist Ján Kuciak (mit seiner Lebensgefährtin Martina Kušnírová) ermordet worden war, weil er im Begriff war, Artikel über die Beziehungen zwischen der kalabrischen 'Ndrangheta' und Mitgliedern der von Fico geführten Regierung zu veröffentlichen. ... Fico ist ein erklärter Feind von George Soros und wird von vielen Putin-Propagandaseiten offen unterstützt. Kurzum, er ist eine Figur, die, würde er in Italien leben, dazu bestimmt wäre, Talkshows zu füllen. Der Schaden, den er in Europa anzurichten droht, ist jedoch weitaus größer. Sollte er gewählt werden, würde er sein Land in Ungarns Umlaufbahn bringen. ... Das hätte gravierende politische Folgen.“

Iswestija (RU) /

Moskau kann auf neue Unterstützung hoffen

Die kremltreue Iswestija sieht Chancen auf einen politischen Kurswechsel der Slowakei durch eine von Fico dominierte neue Regierung:

„Umfragen zeigen, dass die Slowakei das pro-russischste Land der Europäischen Union ist. ... Die Wahrscheinlichkeit, dass in der Slowakei nach den Parlamentswahlen am 30. September eine Moskau-freundliche Regierung gebildet wird, ist sehr hoch. ... In diesem Fall wird die Politik der Slowakischen Republik wohl mehr den Wünschen der einfachen Slowaken entsprechen: Das künstliche Aufblasen des Themas LGBT-Rechte hat ein Ende, die EU bekommt eine Absage für die Unterbringung von Migranten mit fremder Kultur auf slowakischem Gebiet und die Aussicht auf eine Nato-Mitgliedschaft der Ukraine ist auf absehbare Zeit gestrichen.“

Aktuality.sk (SK) /

Noch hat Fico nicht gewonnen

Aus Sicht von Aktuality.sk ist das Rennen völlig offen:

„Seit langem hatte Fico keinen besseren Gegner als Šimečka. Und er weiß es und ist sich seines Sieges nicht sicher. ... Er möchte als Sieger zurückkommen, die Fäden in der Hand halten, die Karten verteilen und herrschen. Er will sich rächen, an NGOs, Medien, politischen Gegnern, Ermittlern, Staatsanwälten. ... Die Wähler von Progresívne Slovensko – und die Parteien, die derzeit an der Schwelle zur Wählbarkeit stehen, sich aber in Fragen der Zusammenarbeit nach der Wahl klar gegen Fico, dessen Partei Smer, gegen Oligarchisierung und eine weitere Kaperung des Staates abgrenzen - können ihm die Sache verderben.“