EU-Asylkrisenverordnung: Italien verhindert Einigung
Als Deutschland seine Bedenken aufgab, sah es beim Treffen der EU-Innenminister am Donnerstag ganz nach einer Einigung über eine europäische Asylkrisenverordnung aus. Demnach hätten Flüchtlinge bei hohem Migrationsdruck länger an den Außengrenzen festgehalten werden können. Doch in letzter Minute meldete Italien, das den Umgang mit privaten Seenotrettungsschiffen neu regeln will, Bedenken an. Kommentatoren erkennen ein tief gespaltenes Europa.
Konsens in weiter Ferne
Europa ist in dieser Frage heillos zerstritten, analysiert The Times:
„Faktisch haben die Wut, die Unentschlossenheit und die Differenzen zwischen den Mitgliedsstaaten stetig zugenommen. Frankreich hat erklärt, dass es sich weigern wird, auf Lampedusa Ankommende aufzunehmen. ... Polen, Ungarn und die meisten anderen osteuropäischen EU-Mitglieder haben mit Wut auf Vorschläge aus Brüssel reagiert, dass sie eine Quote der illegal in den Grenzstaaten ankommenden Flüchtlinge aufnehmen sollen und haben sich schlichtweg geweigert, dies zu tun. Deutschland wehrt sich gegen die Forderungen Italiens nach mehr Optionen, wohin es abgelehnte Asylbewerber schicken kann, steht aber selbst unter Druck, eine härtere Gangart einzuschlagen.“
Rom blockiert nicht nur
Es geht letztendlich um die deutschen Seenotretter, erörtert Corriere della Sera:
„Sieben NGO-Schiffe sind im Mittelmeer unterwegs, um Migranten zu retten. Genau dies hat die italienische Regierung während des Treffens in Brüssel von der Notwendigkeit überzeugt, die Verhandlungen über die Verordnung zum Krisenmanagement abzubrechen. Denn - so die Regierung - wenn der Text in der in den letzten Stunden geänderten Form verabschiedet worden wäre, hätten weder die Anlandungen verhindert werden können noch 'die Versuche, Druck auf Staaten, insbesondere auf Italien,' auszuüben…. Die italienische Antwort ist die Vorlage eines Änderungsantrags, der vorschreibt, dass 'Migranten, die auf NGO-Schiffen transportiert werden, automatisch vom Flaggenstaat des Schiffes aufgenommen werden müssen'.“
Mechanismus wäre viel zu hart
Die Rechte von Asylbewerbern würden mit der nun vorliegenden Regelung extrem beschnitten, kritisiert Der Standard:
„Europa braucht dringend ein neues Asylregime, das mehr zwischenstaatliche Solidarität und weniger Lebensgefahren für Flüchtlinge und Migranten bringt. Die Krisenverordnung ist dazu aber kein geeigneter Schritt – zumindest in der bisher bekannten Version. Sie würde die Rechte ankommender Menschen im Fall größerer Migrationsbewegungen extrem beschneiden. ... Der Freiheitsentzug soll bis zu 20 Wochen dauern, die Versorgung dabei auf ein Minimum reduziert werden.“
Die EU bleibt erpressbar
Die Blockadepolitik einzelner Staaten hat Brüssel selbst begünstigt, stellt die taz klar:
„Seit Jahren ist für die ganze Welt zu sehen, wie panisch in Europa auf Ankommende reagiert wird und welche 'destabilisierenden' Effekte das hat: Populisten, die unter anderem Russland zugeneigt sind, geraten an die Macht, Gesellschaften driften auseinander. Es war die EU selbst, die Flüchtlinge unter dem Eindruck der Ankünfte aus Belarus zu einer 'hybriden Bedrohung' erklärte, einer Art softer Kriegswaffe. Wer das tut, lädt seine Gegner geradezu ein, sie entsprechend zu nutzen. Darauf zu reagieren, indem man den Menschen Rechte entzieht – nichts anderes sieht die neue Verordnung vor –, ändert nichts daran. Die EU bleibt erpressbar, solange sie selbst die Flüchtlinge ständig zur 'größten Gefahr' erklärt.“
Bye bye, Schengen!
Die Kosten der Blockierung einer gemeinsamen Migrationspolitik werden hoch sein, meint Népszava:
„Die Lösung wäre eine gemeinsame EU-Regelung, aber Ungarn und andere mitteleuropäische Länder widersetzen sich dieser hartnäckig. Damit erreichen wir aber nur, dass immer mehr westliche Länder wieder Grenzkontrollen einführen und damit den Schengen-Besitzstand aufgeben.“