Waffenruhe beendet: Bleibt nichts als Gewalt?
Am Freitag hat Israel den Kampf gegen die radikal-islamische Hamas wieder aufgenommen. Seither wurden die Luftangriffe im Gazastreifen fortgesetzt und israelische Bodentruppen sind offenbar auch in den Süden Gazas vorgedrungen. Washington verstärkte den Druck auf Israel, die Auswirkungen auf die Zivilbevölkerung zu minimieren. Europas Presse beleuchtet unterschiedliche Aspekte des Kriegszustands.
Schwere Fehlkalkulation
Für den Spectator trägt die Hamas die Schuld am Ende der Feuerpause:
„Die Weigerung der Hamas, die Rückgabe der noch in Geiselhaft befindlichen Frauen zu verhandeln und ein Raketenangriff auf Israel führten am Freitag zum abrupten Ende des Waffenstillstands. Die israelische Regierung hätte kleinere Verstöße der Hamas hingenommen und die Feuerpause trotz wiederholter Verstöße fortgesetzt. Das Beharren der Hamas auf einer drastische Änderung der vereinbarten Abkommensbedingungen hat Israel jedoch veranlasst, die Angriffe wieder aufzunehmen und der Hamas das Signal zu senden, dass man sich nicht herumschubsen lässt. Die Hamas brauchte den Waffenstillstand, hat sich aber verkalkuliert. ... Sie ist zu weit gegangen.“
Krieg als einziger Weg
Naftemporiki glaubt, dass sich ein bestimmter Teil in der israelischen Gesellschaft bei dieser Entscheidung durchgesetzt hat:
„Der Waffenstillstand endete nicht wegen tatsächlicher oder angeblicher Verstöße der Hamas. Sondern aufgrund des Drucks eines Teils der israelischen Politik und der Mehrheit der Militärs, die glauben, dass jetzt nur noch eine Fortsetzung des Konflikts möglich ist. Alles andere wäre ein Eingeständnis dafür gewesen, dass der militärische Weg in der Konfrontation mit der Hamas endgültig ausgeschlossen wäre und andere politische Szenarien eröffnet werden müssten.“
Israel ist in der Falle
Aufgrund seiner enthüllten Schwäche will Israel nun Stärke demonstrieren, beobachtet La Libre Belgique:
„Die Regierung Netanjahu hat sich von der Grausamkeit der Hamas tatsächlich in die Falle locken lassen. Indem sie verspricht, die Terrororganisation auszulöschen, hat sie sich in eine Zwangslage manövriert. … Wie jeder anerkannter Staat hat Israel nicht nur das Recht, sondern auch die Pflicht, seine Bevölkerung zu schützen. Nach dem unverzeihlichen Versagen vom 7. Oktober scheint die Regierung aber eine Kriegslogik zu verfolgen, die darauf abzielt, einen extrem angekratzten Sicherheitsvertrag wieder zu bekräftigen. Als ob ein überragender militärischer Sieg genügen würde, diesen Schandfleck reinzuwaschen. Ganz egal, wie viele Menschenleben das kostet.“
Washington ist ungehalten
Corriere della Sera beobachtet:
„Der siebentägige Waffenstillstand hatte die unterschwelligen Bewegungen der Diplomatie wieder etwas in Schwung gebracht. Nun besteht die Gefahr, dass man wieder ganz von vorne anfangen muss. In der Regierung Biden wächst die Verärgerung über den israelischen Premier Benjamin Netanjahu zusehends. Und es wird nichts getan, um dies zu verbergen – im Gegenteil, die neue politisch-mediale Strategie der Amerikaner besteht darin, die Gegensätze ans Licht zu bringen. Und zwar mit einer Schärfe, die es seit Kriegsbeginn nicht mehr gegeben hat.“
UN müssen intervenieren
Die Vereinten Nationen sollten die Gewalt stoppen, fordert die taz:
„Sie müsste dafür aktiv die Verantwortung für Gaza übernehmen. ... Die UN-Doktrin der 'Schutzverantwortung', also der ausländischen Intervention zum Schutz bedrohter Bevölkerungen, blieb bisher immer Theorie, weil die staatliche Souveränität ihr einen Riegel vorschiebt. In Gaza gibt es keine staatliche Souveränität. Wäre nicht Ägypten in der Lage, in Absprache mit beiden Seiten seine Armee über die Grenze zu schicken und Gaza zu besetzen – als Schutzmacht für die Palästinenser und als Garantiemacht für Israel? Was hindert die UNO daran, eine solche Intervention zu beschließen? Wo, wenn nicht dort? Und wann, wenn nicht jetzt?“
Über was für einen Staat reden wir eigentlich?
In Bezug auf die von vielen geforderte Zwei-Staaten-Lösung ist El Mundo skeptisch:
„Vor dem Krieg sagten die Kritiker Israels, die Lebensbedingungen im Gazastreifen ähnelten denen eines 'riesigen Freiluftgefängnisses'. ... Sie vergaßen, dass der Kerkermeister die Hamas ist, die 2006 die Macht übernommen und eine theokratische Regierung eingesetzt hat, unter der es keinerlei Freiheit gibt und die die Bevölkerung indoktriniert. ... Wer also würde den Friedensprozess für einen palästinensischen Staat lenken? ... Würden wir uns mit einem Selbstbestimmungsrecht zufrieden geben, das die Rechte der Palästinenser auf einen theokratischen Staat oder ein korruptes autoritäres Regime überträgt?“