Bringt Attal Präsident Macron wieder auf Erfolgskurs?
Mit Gabriel Attal hat Frankreichs Präsident Emmanuel Macron den beliebtesten Minister des Landes zum Premier gemacht, nachdem Vorgängerin Elisabeth Borne Anfang der Woche ihren Rücktritt erklärt hatte. Europas Presse diskutiert, ob der junge Attal das Zeug dazu hat, den frischen Wind zu bringen, der Macrons Boot bis zur nächsten Präsidentschaftswahl 2027 in Fahrt hält.
Er muss Vertrauen zurückgewinnen
Der neue Premier muss die Mittelschicht überzeugen, betont Naftemporiki:
„Die Botschaft des französischen Präsidenten ist, dass er die junge Generation zurückgewinnen will. Jenen Teil der Wählerschaft, der sich von ihm abgewendet hatte. Attal selbst hat in seiner Antrittsrede daran erinnert, dass die jungen Menschen eine Priorität sind und wieder in den Mittelpunkt des Regierungskurses rücken werden. Der neue Premier muss auch das Vertrauen der Mittelschicht zurückgewinnen, die zunehmend von der extrem rechten Marine Le Pen beeinflusst wird. Vor allem im Hinblick auf die Europawahlen im Juni, die Le Pens Partei voraussichtlich gewinnen wird.“
Jugend hat auch ihre Kehrseite
Das junge Alter Attals ist langfristig nicht unbedingt ein Vorteil, erläutert L'Opinion:
„Überall in Europa verjüngt sich das politische Führungspersonal ein wenig. Dabei nutzt sich das Argument schnell ab und kann sich beim ersten harten Schlag umkehren, wie viele bezeugen können. Und diejenigen, die das junge Alter des Helden beklatscht haben, betonen bald dessen Mangel an Erfahrungen. Dynamik, Ehrgeiz und Handlungsbedarf können verführen. In Kombination mit einer soliden Beliebtheit und guter Kommunikation können sie nützlich sein. Doch die Kunst des Regierens ist dermaßen komplex und die Lage des Landes derart kritisch geworden, dass das Alter schnell zu einer Entschuldigung zu werden droht.“
Der Schachzug könnte funktionieren
Les Echos schreibt dem Neuen durchaus Erfolgsaussichten zu:
„Zwar kann man sich nur schwer vorstellen, dass Attal sich dem Staatschef bei Schlüsselentscheidungen entgegenstellt, doch versteht er es wie kein anderer in seinem Alter, Politik zu machen, was im Macron-Lager oft gefehlt hat. Und seine Worte werden besser erhört werden als die eintönigen Reden von Elisabeth Borne. Zudem wird er von den im Parlament von ihr bereits erledigten Aufgabe profitieren: die heiklen Themen Renten und Einwanderung. … Emmanuel Macron verspricht eine Rückkehr zur 'Überwindung' [der politischen Gräben] und zur 'Kühnheit', was viele enttäuschte Macronisten der ersten Stunde erwarten. Dieses Engagement muss nun über den Ankündigungseffekt hinaus erhalten werden.“
Für den Macronismus nach Macron
Macron hat seinen Nachfolger gewählt, spekuliert Corriere della Sera:
„Im Gegensatz zu seinen halb unbekannten Vorgängern Édouard Philippe (damals Bürgermeister von Le Havre), Jean Castex (ein pflichtbewusster Beamter aus den Pyrénées-Orientales) und Élisabeth Borne (eine undurchsichtige Arbeitsministerin) wurde Gabriel Attal auf dem Höhepunkt einer Welle Premier, dank seines Aktivismus als Bildungsminister, der ihn seit Juni laut Umfragen zum beliebtesten Politiker des Landes gemacht hat. ... Vielleicht fürchtet der Präsident nicht mehr, dass andere Sterne seinen eigenen in den Schatten stellen könnten, sondern hat Attal als den Mann identifiziert, der ihm 2027 nachfolgen könnte, um den Macronismus nach Macron fortzusetzen.“
Die Zeiten haben sich geändert
Attal wird nicht einfach den Macron 2.0 geben können, schreibt die Welt:
„2017 positionierte sich Macron in der politischen Mitte und setzte Europa-Pathos gegen den Nationalismus von Le Pen. Der Zeitgeist hat sich aber auch in Frankreich verändert. Eine Chance gegen Le Pen dürfte nur noch haben, wer deren Themen nicht negiert oder kontrastiert, sondern aufgreift und bessere Lösungen verspricht. Islamismus, Migration, traditionelle Werte – diese Themen kann kein Kandidat ignorieren. Das weiß Macron, der über die Jahre deutlich konservativer geworden ist. Die Ernennung von Gabriel Attal signalisiert: Hier ist ein Mann, der fest zu Freiheit und Demokratie steht – aber zugleich klare liberal-konservative Kante zeigt.“
Schwierige Bedingungen
Die dem Präsidenten untergeordnete Rolle des französischen Premiers betont G4Media.ro:
„Attal war, wie seine Vorgängerin, einst in der Sozialistischen Partei, folgte dann aber der politischen Entwicklung seines Chefs Emmanuel Macron in Richtung konservativerer Positionen. Wie seine Vorgänger und damit wie alle Premiers der Fünften Französischen Republik wird er unter der zuweilen erdrückenden Autorität des Staatspräsidenten arbeiten müssen – und das unter dem Umstand, dass es keine absolute pro-präsidiale Mehrheit in der Nationalversammlung gibt und der Einfluss der rechten Opposition immer mehr wächst.“
Ein womöglich nur schlaffer Coup
Der neue Premier hat keine wirklich bessere Ausgangslage als seine Vorgängerin, betont auch Le Soir:
„Trotz seines Talents, seines ausgeprägten Kommunikationsgespürs und seiner Fähigkeit, die Rechte zu verführen, obwohl er von links kommt, kündigt sich Gabriel Attals Aufgabe nicht einfacher an. ... Er wird ebenfalls über keine absolute Mehrheit in der Nationalversammlung verfügen und die Opposition wird ihm gegenüber nicht wohlwollender gestimmt sein. ... Hoffen kann er gerade einmal darauf, seinen Gegnern weniger Angriffsflächen zu bieten. ... Seine Ernennung, die von der öffentlichen Meinung gefordert wurde, sagt nichts aus über den erhofften Neustart des elanlosen Mandats [Macrons]. … Worum handelt es sich also? Einen weiteren mehr oder weniger gemeisterten Coup?“