Den Haag: Israel weist Genozid-Vorwürfe zurück
Israel hat sich vor dem Internationalen Gerichtshof in Den Haag gegen den Vorwurf verteidigt, dass es im Krieg gegen die radikal-islamische Hamas im Gazastreifen einen Völkermord an den Palästinensern begehe. Israels Verteidigung erklärte, die Militäraktion im Gazastreifen sei Selbstverteidigung gegen die terroristische Hamas, das Leiden der Zivilisten teil von deren Strategie. Südafrika hatte die Klage eingereicht.
Ein bestens geeigneter Ankläger
Warum gerade Südafrika als einziger Staat Israel vor Gericht stellt, glaubt Sabah zu wissen:
„Südafrika, das bis in die 1990er Jahre von einem auf Rassendiskriminierung basierenden Apartheidregime regiert wurde, ist kein Akteur, der vom Westen wie die Türkei als verdächtig angesehen wird. Südafrika, das aufgrund dieser historischen und politischen Faktoren die stillschweigende Zustimmung des Westens erhalten hat, wird als Brics-Mitglied auch von Russland und China ausdrücklich unterstützt. In Anbetracht all dieser strategischen Dynamiken könnte es keinen geeigneteren Akteur in der Welt als Südafrika geben, um eine Völkermord-Klage gegen Israel einzureichen.“
Subtiles Gift
Die Anklage schürt den Antisemitismus, klagt Corriere della Sera:
„Der Prozess wird weder Rechtskraft haben, noch Auswirkungen vor Ort. … Stattdessen wird er mit Sicherheit zu einer neuen Welle von Ressentiments gegen Juden führen. Nicht nur gegen die Soldaten Israels im Gazastreifen, sondern gegen alle Angehörigen der jüdischen Religion in der ganzen Welt. Und das ist für uns, die wir den Konflikt aus der Ferne beobachten, die größte Gefahr. Ein Gefühl, das sich seit jeher durch unsere Gesellschaften zieht und sich bei jeder großen Krise im Nahen Osten wie ein subtiles Gift manifestiert. ... Die Geopolitik wirkt wie ein Zünder für ein Substrat, das in jahrhundertealten Gemeinplätzen verwurzelt ist (wie etwa der 'böse Gott der Juden' im Gegensatz zum barmherzigen Gott der Evangelien).“
Israel nicht alleine lassen
Deutschland muss sich jetzt an seinen eigenen Worten messen lassen, fordert der Tagesspiegel:
„Der Wert der Freundschaft, die Deutschland immer wieder betont und die historisch gesehen ein Geschenk ist, erweist sich jetzt. In diesem Fall heißt das: Die Bundesrepublik muss sich vor dem IGH offiziell und formal an die Seite Israels stellen und sich dem Verfahren als Drittstaat anschließen. Die Bundesregierung ist aufgerufen, entsprechend zu intervenieren. Denn die Vorwürfe, die Südafrika erhoben hat, sind haltlos. Israel darf bei der Verteidigung nicht alleine bleiben.“
Unsinniger Prozess
Echo24 bezieht klar Stellung:
„Das Ganze ist ein sinnloses Theater. Nicht nur, weil es offensichtlich absurd ist, Israel des Völkermords zu beschuldigen, sondern auch, weil der Internationale Gerichtshof nichts gegen den Krieg in Gaza unternehmen kann. Das Gericht dient der Entscheidung von Streitigkeiten zwischen Staaten, es ist nicht befugt, einzelne Personen strafrechtlich zu verfolgen. Dafür ist der Internationale Strafgerichtshof zuständig, ebenfalls mit Sitz in Den Haag. Südafrika präsentiert sich in einer antisemitischen Inszenierung.“
Justiz in Kriegszeiten nicht stumm
Der Prozess kann als positive Entwicklung beurteilt werden, findet dagegen Kolumnist Pierre Haski im Radiosender France Inter:
„Das Ziel [der Anklage] ist nicht, die Kriegsrealität zu ändern, sondern eine Beurteilung zu erhalten, die Recht und die Moral klar auf einer Seite verortet. Dies ist wichtig hinsichtlich des Kampfs um die öffentliche Meinung und erlaubt, ein Narrativ durchzusetzen oder zu zerstören, das eine militärische Aktion rechtfertigt. … Dies ist ein Ereignis, das mit der Stille der Straffreiheit bricht. ... Die Juristen haben keinen Zweifel daran, dass die Hamas am 7. Oktober Kriegsverbrechen begangen hat - was aber ihrer Ansicht nach nicht die Kriegsverbrechen rechtfertigt, die sie Israel in Gaza vorwerfen. ... Betrachten wir es also als kleinen Fortschritt, dass nun eine kontroverse Debatte vor einem internationalen Gericht stattfindet, während die Waffen sprechen.“
Herausforderung angenommen
Israel beweist, dass es eine Demokratie ist, erklärt La Repubblica:
„Die Entscheidung Israels, sich dem Urteil des Internationalen Gerichtshofs in Den Haag zu unterwerfen, ist nicht nur wegen des Urteils von Bedeutung. ... Indem sich der jüdische Staat bereit erklärt hat, sich gegen die Anklage wegen Völkermordes zu verteidigen, die von Südafrika wegen der Modalitäten des Krieges in Gaza erhoben wurde, erinnert er die Welt daran, dass er eine Demokratie ist, die die internationale Ordnung anerkennt und beabsichtigt, Teil dieser Ordnung zu bleiben. Eine Haltung, die im Gegensatz zu der von Autokratien wie Wladimir Putins Russland steht, die sich weigern, rechtlich für ihre Handlungen einzustehen und darauf abzielen, die internationale Ordnung zu untergraben.“
Instrumentalisierter Begriff
Der Vorwurf des Völkermords wird immer öfter für politische Zwecke missbraucht, kritisiert Der Standard:
„Es gibt einiges, was man an Israels Vorgehen im Gazastreifen kritisieren könnte. ... Der Vorwurf des Genozids ... geht hingegen völlig ins Leere. ... Das Verfahren vor dem IGH ist ein Beispiel dafür, wie der Begriff des Genozids, der 1948 unter dem Eindruck des Holocaust als schwerstes internationales Verbrechen verankert wurde, immer mehr zum Allerweltsvorwurf verkommt. Wo immer Gewalt eingesetzt wird, die eine bestimmte Volksgruppe trifft, wird der Vorwurf des Völkermords laut – und das Wort dabei politisch instrumentalisiert.“
Erstmal wird die Zuständigkeit geprüft
Adevărul erklärt den Ablauf des Verfahrens:
„Experten für internationale Gerichtsbarkeit meinen, dass die Aufgabe der Richter in dieser Phase nicht darin besteht, festzustellen, ob in Gaza ein Völkermord stattgefunden hat oder nicht, sondern ob dort Handlungen stattfinden, die die in der Völkermordkonvention garantierten Rechte unwiederbringlich schädigen. In diesem Stadium können die Richter daher entscheiden, ob es angebracht ist, dass die von Südafrika beantragten Maßnahmen verhängt werden sollen, oder ob sie im Gegenteil gar nicht für den Fall zuständig sind. Erst dann kann die inhaltliche Arbeit beginnen und damit die beweisbasierte Auseinandersetzung mit dem Vorwurf von israelischen Völkermordverbrechen im Gaza.“
Beschuldigter im Dilemma
Israel droht vor allem große Rufschädigung, analysiert De Volkskrant:
„Die Isolierung des Landes wird noch größer werden. Wenn es einen Beschluss der Richter ignoriert, wird Israel den Vorwurf bestätigen, der dem Land bereits gemacht wird: dass es sich nicht um internationales Recht kümmere. ... Dass Israel beschlossen hat, an den Anhörungen teilzunehmen, wird es schwieriger machen, einen Beschluss der Richter als irrelevant zur Seite zu schieben. Außerdem wird, wenn das Gericht ein Hauptverfahren beschließt, der Vorwurf des Völkermordes - und die Möglichkeit einer Verurteilung - noch jahrelang wie eine dunkle Wolke über Israel hängen bleiben. Im Sinne von: schuldig, bis das Gegenteil bewiesen ist. “
Garant für Rechtsstaatlichkeit kommt zum Zug
Zur Anhörung in Den Haag schickt Israel seinen früheren Richter am Obersten Gerichtshof Aharon Barak, einen 87 Jahre alten Holocaust-Überlebenden. Eine kluge Entscheidung, meint De Telegraaf:
„Er genießt ein hohes Ansehen in der juristischen Welt und kann als unvoreingenommen angesehen werden, gerade weil er von Premier Benjamin Netanjahu geschickt wird. Dessen Regierung richtete sich im vergangenen Jahr massiv gegen Barak. Die umstrittenen Reformen sollten den rechtlichen Rahmen beseitigen, den Barak als Oberrichter errichtet hatte. ... Die israelische Regierung findet, dass Richter im eigenen Land zu viel Macht haben, aber es ist gerade die starke unabhängige Justiz, die in der Vergangenheit regelmäßig verhinderte, dass sich internationale Gerichte mit der Lage von Israel und der Palästinensischen Gebiete befassten.“