Nato-Beitritt Schwedens: Das Ja aus Ankara ist da
Das türkische Parlament hat am Dienstag deutlich für einen Nato-Beitritt Schwedens gestimmt. Seit anderthalb Jahren hatte sich die Türkei dagegen gesperrt – und lange auch gegen eine Mitgliedschaft Finnlands. Nun steht nur noch die Zustimmung Ungarns aus.
Möglichkeit zum Feilschen maximal ausgenutzt
Die Zustimmung war letztlich eine Zeitfrage, meint liga.net:
„Von Anfang an war klar, dass es politisches Feilschen ist und dass die Nato letztendlich erweitert wird. Finnlands Beispiel im vergangenen Jahr war eine Art Generalprobe. Die Türkei blockierte Schweden nicht aus ideologischen Gründen oder gar um die Nato zu untergraben, sondern aus rein pragmatischen Gründen: um den einmaligen Moment zum eigenen Vorteil zu nutzen. … Erdoğan hatte beim Thema schwedische Nato-Mitgliedschaft schließlich nicht vor, die Beziehungen zum Westen abzubrechen. Erdoğan braucht den Westen, genauso wie der Westen die Türkei braucht.“
Türkei hat Verhandlungsstärke bewiesen
Die Verzögerungstaktik Ankaras ist aufgegangen, lobt die regierungsnahe Hürriyet:
„Schweden hat seine Verfassung zum Thema Terrorismus geändert. Manchen PKK-Mitgliedern wurde die Einreise nach Schweden verboten. ... In Bezug auf die USA ist Folgendes erreicht worden: Sie kennen die scheinbar endlose Debatte um die Lieferung von F-16-Kampfjets? Die Türkei wird in dieser Hinsicht einen deutlichen Fortschritt machen, wie sich schon bald zeigen wird. Zusammengefasst lässt sich sagen, dass die Türkei so viel Widerstand gezeigt hat, wie sie als Nato-Mitglied konnte. ... Das Wichtigste: Jeder, ob Freund oder Feind, hat gesehen, dass die Türkei ein Land mit großer Verhandlungsstärke ist.“
Außer Putin gewinnen alle
Die Frankfurter Rundschau ist erleichtert:
„Die Türkei nähert sich mit dem Deal wieder den westlichen Bündnispartnern an und stabilisiert so die Südost-Flanke. Im Nordosten erhöht sich der Schutz nicht nur für die skandinavischen Staaten. Auch die Menschen in den benachbarten Ländern des Baltikums können sich sicherer fühlen. Verlierer ist der russische Autokrat Wladimir Putin. Er wollte ursprünglich die Nato von seinem Land fern halten. Doch nach dem völkerrechtswidrigen russischen Überfall auf die Ukraine rückte das Verteidigungsbündnis mit dem Beitritt Finnlands ganz nah ran, gibt es eine lange gemeinsame Grenze.“
Verlässlichkeit äußerst zweifelhaft
Mit dem langen Hinauszögern hat die Türkei dem Bündnis geschadet, so Dagens Nyheter:
„Die Türkei hat während des zweijährigen Schweden-Dramas den Eindruck entstehen lassen, dass die Nato für das türkische Regime keineswegs eine Gemeinschaft, sondern lediglich ein Werkzeug ist. Während des Ukraine-Krieges blühten die wirtschaftlichen Beziehungen des Landes zu Russland auf legale und illegale Weise. Die Türkei unter der AKP unterhält freundschaftliche Beziehungen zur Hamas, gute Beziehungen zum Iran und Russland sowie frostige Beziehungen zur Nato und der EU. ... Wenn das Bündnis mit Russland, dem Iran oder einem anderen Freund der Türkei in Konflikt gerät – wird Ankara gemäß Artikel 5 der Nato handeln oder doch seinen Eigeninteressen folgen?“
Illiberale "Freundschaften" bringen nichts
Népszava findet es peinlich, dass Ungarn seine Zustimmung weiter hinauszögert:
„Diesmal ist unser großer 'Freund' Erdoğan Viktor Orbán in den Rücken gefallen. ... Das Parlamentsvotum in Ankara musste für die sonst so selbstsichere ungarische Diplomatie wie ein Blitz aus heiterem Himmel gekommen sein. Damit wurde Budapest in den Augen der schwedischen Regierung diskreditiert, da unsere Offiziellen immer wieder erläutert hatten, dass wir [Ungarn] die Entscheidung vor Ankara treffen würden. ... Die ungarische Regierung ist nicht einmal für die angeblichen Verbündeten wichtig. Das hat man davon, mit illiberalen Politikern zu schmusen. Wir haben alles verloren: unsere Glaubwürdigkeit, unsere Ehre, unsere westlichen Partner und die Freunde, die wir freilich nie hatten.“
Schweden muss aufrüsten
Stockholm muss viel konsequenter in die Verteidigung investieren, fordert Aftonbladet:
„Schweden hätte schon vor langer Zeit mit einer umfassenden Modernisierung seiner militärischen und zivilen Verteidigung beginnen sollen. Dass die Regierung vor Krieg warnt und gleichzeitig das Ziel von zwei Prozent des BIP auf 2028 verschiebt, geht nicht auf. ... Ebenso wenig, dass sie den Aufbau von Heer und Marine weit in die Zukunft verschiebt. Nato-Mitgliedschaft in Ehren. Aber wir müssen in der Lage sein, uns zu verteidigen. Mit der aktuellen Planung ist das nicht möglich.“