Carlsons Putin-Interview: Wem hat's genützt?
Der ultrarechte US-Journalist Tucker Carlson hat in Moskau ein zweistündiges Interview mit Wladimir Putin geführt. Im Vorfeld hatte es viel Kritik gegeben, russische Staatsmedien berichteten euphorisch über den Besuch Carlsons, der über die Plattform X sendet, seit er 2023 bei Fox News gefeuert wurde. Laut Kommentatoren hat keiner der beiden Interviewpartner eine gute Figur gemacht.
Weichgespülte Fragen eines Ahnungslosen
Carlson hat sich mit dem Interview zum Handlanger Putins gemacht, urteilt The Sunday Times:
„Es bot keine Gelegenheit, sich einen Einblick in die Gedankenwelt eines Tyrannen zu verschaffen, sondern war eine Aneinanderreihung von weichgespülten Fragen eines kriecherischen Bittstellers, der ahnungslos war, wie und warum er instrumentalisiert wurde. Am wütendsten darüber werden die Russen sein, die noch nicht der Gehirnwäsche von Putins Propagandamaschine unterlegen sind. Sie dürften wohl gehofft haben, dass Carlson wenigstens eine einzige Frage zu Putins Behauptung stellen würde, ein patriotischer Führer zu sein, wenn er doch gleichzeitig gemeinsam mit Oligarchen und Busenfreunden das Land plündert, während Millionen im Elend leben.“
Peinliche Rechtfertigung von Hitlers Angriff
Der in den USA lehrende Wirtschaftsprofessor Konstanin Sonin hält auf Facebook Putins Aussagen für einen PR-Supergau:
„Zum Entsetzen aller potenziellen Putin-Fans hat er solchen Unsinn von sich gegeben, dass es unmöglich ist, seine Thesen zu verteidigen oder zu unterstützen. ... Beim Versuch, den Angriff auf die Ukraine 2022 zu rechtfertigen, zog Putin eine Parallele zum Jahr 1939, als Polen, wie er sagte, Hitler 'gezwungen' habe, es anzugreifen. Die Aufgabe, Hitler vor einem amerikanischen Publikum zu rechtfertigen, selbst vor einem ungebildeten und isolationistischen, ist nicht zu stemmen. Putin wirkte nicht gerissen, sondern dumm. Denn er hat keinen Umgang mehr mit Leuten, die ihm widersprechen oder ihn korrigieren könnten.“
Putin hat völlig versagt
Der russische Präsident hat sich nur lächerlich gemacht, meint Blogger Serhij Fursa in Obosrewatel:
„Dabei hat Putin viel Gemeinsames mit dem Stammpublikum von Tucker Carlson. Er hätte einfach über das reden sollen, was er [auch sonst] gerne erzählt: Über Verschwörungen, über konservative Werte, über das orthodoxe Kalifat, das er in Russland fördert. ... Das wäre gut angekommen. … Und es wäre so einfach, so natürlich für Putin gewesen. Und stattdessen? Eine langweilige Geschichtsvorlesung, mit der zuvor schon Macron gequält worden war. ... Carlson bekam seine Klicks, und Putin kam als lächerlicher Faschist rüber, der nicht nur eine Stunde lang erklärt, warum er das Recht hat, die Ukraine zu besetzen, sondern dann auch noch Hitler rechtfertigt. Bingo.“
Gift und Propaganda
Putin hat wie üblich gelogen, meint Philosoph und Professor Gintautas Mažeikis in LRT:
„Das Auffälligste: Er sagte [sinngemäß] 'Wolodja, schämst du dich nicht, wo doch dein Vater im Zweiten Weltkrieg auf der Seite der UdSSR gekämpft hat?'. Tatsächlich wurde Wolodymyr Selenskyjs Vater erst 1947 geboren. Entsprechend sind alle Behauptungen – wer für die Explosion der Nord Stream 2 verantwortlich ist, wer Spione sind und wer nicht, wer was in Istanbul vereinbart hat, was jemand Putin gesagt hat und durch welches persönliche Gespräch – Erfindungen. Das ganze Interview ist ein Versuch, westliches kritisches Denken durch historischen, parareligiösen Imperialismus zu ersetzen.“