Polen: Kommunalwahlen als Stimmungstest für Tusk
Die frühere nationalkonservative Regierungspartei PiS ist laut Prognosen stärkste Kraft in Polens Regional- und Kommunalwahlen am Sonntag geworden. Dennoch konnte das Regierungslager ein ähnlich starkes Ergebnis wie in der Parlamentswahl im Oktober erreichen und in Warschau und Gdansk die Bürgermeisterposten halten.
PiS-Wähler haben keine Alternative
Die Frankfurter Allgemeine Zeitung erklärt die Stärke der ehemaligen Regierungspartei:
„[D]ie PiS [repräsentiert] die große Gruppe der Polen, die national, katholisch und konservativ eingestellt sind. Wollen diese Menschen nicht für Parteien stimmen, die ihnen weltanschaulich fern sind, haben sie keine Alternative zur PiS. Hinzu kommt, dass der Erfolg der Partei in lokalen Hochburgen auch auf fest in ihren Kommunen verankerten Lokalpolitikern beruht, die im Gegensatz zu der von Ideologie und Machtstreben getriebenen Führung der Partei in Warschau rein pragmatisch handeln. Ohne Partei mit dem weltanschaulichen Profil der PiS hätten viele Polen keine politische Vertretung. Zugleich aber ist die PiS in der Gestalt, in der sie derzeit auftritt, eine Gefahr für die Demokratie.“
Selbstkritik ist keine Schwäche
Der Tages-Anzeiger lobt den neuen Kommunikationsstil im Land:
„Tusk gratuliert und dankt, weist aber vor allem sofort auf die Mängel hin, darauf, dass auf dem Land und im Osten die Mobilisierung von Wählern wieder nicht funktioniert hat, dass die jungen Wähler ferngeblieben sind. Auch seine Koalitionspartner üben Selbstkritik, treten demütig auf, versprechen, härter und besser zu arbeiten. Das sind Töne, die man von einer PiS-Regierung niemals hörte. Die schwamm in Selbstlob und Herabwürdigungen der Gegner. Aber zu einer demokratischen und nicht nur demokratisch gewählten Regierung gehört, dass Dinge ausdiskutiert, auch mal revidiert und Fehler eingestanden werden. ... Das ist keine Schwäche dieser Regierung, das ist ihre Stärke.“
Nur ein Zwischenspiel?
Polityka interessiert sich für das europäische Medienecho der polnischen Kommunalwahlen:
„Die Kluft zwischen Stadt und Land wird immer größer - und ausländische Journalisten erkennen das. In den Metropolen hat die PiS keine Chance auf einen Sieg, aber die städtischen Zentren sind eine zu kleine Kraft, um den Liberalen und fortschrittlichen Bewegungen auf nationaler Ebene eine dominante Position zu verschaffen. Dennoch - für viele ausländische Medien war diese Wahl ein Zwischenspiel und nicht der ultimative Test für die Regierung Tusk. Wichtig werden die Ergebnisse der Wahl zum Europaparlament sein - aber hier könnten die Rechten noch besser abschneiden.“
PiS bleibt ernstzunehmender Gegner
Die Kommunalwahlen sind eine Warnung an die Regierung Tusk, meint Rzeczpospolita:
„Obwohl ihr Ergebnis bestätigt, dass die Koalition der vier Parteien weiterhin einen Regierungsauftrag hat, zeigt sich doch eine gewisse Stagnation dieser Unterstützung und kein Bonus für die bisherigen Leistungen. ... Wollte man das Ergebnis der Kommunalwahlen in einem Satz zusammenfassen, müsste man sagen: Die Regierungsmehrheit hat immer noch einen ernstzunehmenden Konkurrenten, und die PiS hat ihr letztes Wort noch nicht gesprochen.“
Psychologisch wichtiger Erfolg
Das PiS-nahe Onlineportal wPolityce.pl wittert Morgenluft:
„Der erste Platz bei den Wahlen zu den Regionalversammlungen ist ein sehr wichtiger politischer, aber auch psychologischer Erfolg für die PiS. Er ebnet den Weg für einen Erfolg bei der Europawahl und für weitere Siege, auch bei den Präsidentschafts- und Parlamentswahlen. Der Abnutzungsprozess der derzeitigen Regierung wird sich schließlich beschleunigen.“
Comeback der Populisten?
Polen könnte einem schlechten Beispiel folgen, mahnt Gazeta Wyborcza:
„In mehreren Ländern wurden mehr oder weniger breite Koalitionen gebildet, denen es gelang, die Populisten von der Macht zu verdrängen. Als der Enthusiasmus nach den Wahlen abflaute, stellte sich heraus, dass sie nicht in der Lage waren, effektiv zu regieren, und die Wählerschaft vergaß schnell, wie es unter ihren Vorgängern war. … Im ersten Jahrzehnt des 21. Jahrhunderts gelang die Rückkehr von Silvio Berlusconi in Italien und von Viktor Orbán in Ungarn. Bei den Wahlen im nächsten Jahr könnte die tschechische demokratische Koalition gegen die Partei des Populisten Andrej Babiš verlieren, der wieder Premier werden will. In sechs Monaten wird sich zeigen, ob es den US-Demokraten gelingen wird, das Comeback von Donald Trump zu stoppen.“