Schweizer Ukraine-Konferenz: Chance auf Frieden?
Die Schweiz richtet Mitte Juni eine Ukraine-Friedenskonferenz in einem Hotel auf dem Berg Bürgenstock aus. Russland ist nicht eingeladen. China hat seine Teilnahme vorerst abgesagt. Kyjiw wirft Peking und Moskau vor, andere Länder unter Druck zu setzen, um sie von der Teilnahme abzuhalten. Über Chancen und Gefahren dieser Konferenz und eventueller künftiger Friedensverhandlungen debattiert Europas Presse.
Von einer ukrainischen zu einer gemeinsamen Position
Glavkom analysiert:
„Der Friedensgipfel ist ein Versuch, die Diskussion über Friedensinitiativen auf die Ebene der globalen Diplomatie zu bringen. Keine Gespräche hinter den Kulissen zwischen den Spitzenmächten, keine obskuren 'Pläne' von eigens von den Russen angeheuerten Experten, keine Deklarationen und Entwürfe der zuvor begrabenen Verhandlungen. Sondern etwas wirklich Globales, was anschließend allen, die es wünschen, vorgelegt werden könnte. Es ist bemerkenswert, dass die Russen eine Menge Mittel aufwenden, um die ukrainische Position zu diskreditieren. ... Doch nach dem Gipfel wird es nicht mehr nur eine ukrainische Position geben, sondern eine vereinigte. Die Position von vielen, gegen die sich einzelne Staaten stellen.“
Schweiz muss sich auf massive Störungen einstellen
Putin wird alles daran setzen, die Konferenz zu torpedieren, warnt Le Temps:
„Die russischen Raketen in Kaliningrad sind wohl nicht auf die Schweiz gerichtet. Aber in den nächsten zwei Wochen muss sich Bern auf immer ausgefeiltere Salven gegen seine Souveränität gefasst machen. Zwar kann Putin die Friedenskonferenz auf dem Bürgenstock am 15. und 16. Juni nicht verhindern, aber er wird die ganze Palette seiner hybriden Kriegsführung einsetzen, um die Bemühungen der Schweizer Diplomatie zum Entgleisen zu bringen. Die Angriffe auf die Bundespräsidentin im größten russischen Fernsehsender – eine Mischung aus Beleidigungen und Anspielungen im nordkoreanischen Stil – sind nur die Spitze des Eisbergs.“
Besser jetzt verhandeln
Observador verweist auf die sich zuspitzende internationale Lage:
„Die Verlängerung der Kämpfe, die Verfestigung des Krieges und die Möglichkeit, dass Trump im November gewählt wird, werfen die Frage auf, ob es nicht besser wäre, so schnell wie möglich zu verhandeln. Wäre es nicht besser, die Sackgasse, in die der Konflikt geraten ist, anzuerkennen, über die Anerkennung der russischen Besetzung eines Teils des Donezkbeckens zu verhandeln, die Ukraine in die Nato und die EU zu integrieren und einen neuen Marshallplan in dem Land umzusetzen, der bald den positiven Unterschied der Zugehörigkeit zum Westen zeigen würde?“
Russland will nur Kräfte sammeln
Vor einem Waffenstillstand zu russischen Bedingungen warnt Oppositionspolitiker Leonid Gosman in Nowaja Gaseta Ewropa:
„[Putin] hat sein Ziel, die Ukraine zu zerstören, nicht aufgegeben ... In der Logik einer langen Belagerung der Ukraine braucht er merkwürdigerweise Frieden. Aber nicht im Sinne von Frieden, sondern Waffenstillstand: eine vorübergehende Feuerpause, um Kraft zu schöpfen und erneut anzugreifen, und zwar in einer viel besseren Lage als im Februar 2022. Die von ihm vorgeschlagene Vereinbarung - ein Friedensschluss unter Anerkennung der gegenwärtigen Frontlinie - kann zu nichts anderem führen als zu einem neuen Krieg in zwei, drei oder vier Jahren. Und die Ukraine ist sich dessen bewusst.“
Krieg geht bis Jahresende in eine neue Phase
Bevor es möglicherweise zu Verhandlungen kommt, wird der Krieg in einer noch blutigere Phase geraten, vermutet Kolumnist Hakan Aksay in T24:
„Es besteht eine hohe Wahrscheinlichkeit, dass Trump wieder an die Macht kommt und den Krieg beendet. ... Trumps Ansatz würde wahrscheinlich darin bestehen, den Krieg mit einem 'geschickten Handel' zu beenden und daraus einen Image-Erfolg zu machen. Hinter meiner Vorhersage, dass 'der Krieg in diesen Monaten, wahrscheinlich bis zum Ende des Jahres, viel blutiger sein wird', steckt Folgendes: Alle wollen mit möglichst großen Gebietsgewinnen in diese 'Verhandlungs- und Einigungsphase' gehen.“