EU: Wie steht es um von der Leyens Wiederwahl?
Ursula von der Leyens Europäische Volkspartei (EVP) bleibt stärkste Kraft im EU-Parlament und verfügt zusammen mit ihren bisherigen sozialdemokratischen und liberalen Partnern trotz deren Verluste weiterhin über eine Mehrheit. Dennoch ist von der Leyens Bestätigung für eine zweite Amtszeit als Kommissionspräsidentin keineswegs nur Formsache, betont Europas Presse.
Sie hat beste Karten
Die bisherige Kommissionschefin darf sich als Wahlsiegerin fühlen, schreibt Denník Postoj:
„Die EVP, zu der auch ihre heimatliche CDU gehört, ist die stärkste Fraktion. Dabei wurde vor der Wahl viel über ihren Rücktritt gesprochen. Der französische Präsident Emmanuel Macron, so hieß es, könnte sich den Italiener Mario Draghi als neuen Chef der Europäischen Kommission vorstellen. Doch Macrons Karten sind nun schwächer, da die Europawahlen in Frankreich als sein Fiasko interpretiert werden.“
Es könnte knapp werden
Trotz des selbsterklärten Wahlsieges ihrer EVP ist von der Leyens Wiederwahl kein Selbstläufer, warnt Jutarnji list:
„Vor ihr stehen noch zwei große Hürden: der Segen des Europäischen Rates und das Amen des Europaparlamentes. ... Wenn sich Frankreich, Italien und Deutschland darauf einigen, von der Leyen zu unterstützen, sollte es im Rat keine größeren Probleme geben. Doch wie ist die Lage im Parlament? Nicht ideal. Mathematisch gesehen mag die regierende Koalition über 398 Stimmen verfügen, doch davon sollte man zehn Prozent abziehen: So viele Abgeordnete halten sich im Durchschnitt wegen interner ideologischer Unterschiede nicht an die Partei- bzw. Fraktionsdisziplin. Und dann hätte von der Leyen ein großes Problem.“
Bitte ohne Extremisten
Auch wenn von der Leyen jede Stimme braucht, sollte sie sich ihre Partner sorgfältig aussuchen, insistiert Aftonbladet:
„Von der Leyen muss offenbar Unterstützung über Christdemokraten, Sozialdemokraten und Liberale hinaus gewinnen. Die Frage ist, in welche Richtung sie sich wendet. Die grüne Fraktion im Parlament ist von 71 auf 52 Sitze geschrumpft. Gleichzeitig wird die EU-skeptische Rechte zu einem immer wichtigeren Machtfaktor. Von der Leyens Wahl wird den Rest der Amtszeit bestimmen. Vor allem die kommenden Jahre werden entscheidend dafür sein, ob die EU ihre Klimaziele erreicht und wie es der Ukraine ergeht. In dieser Situation sollte man sich nicht auf Extremisten stützen.“
Meloni am Scheideweg
Corriere della Sera analysiert die Entscheidung, vor der Italiens Premierministerin steht:
„Es geht es nicht nur darum, entweder von der Leyen zu unterstützen, also sich der Mehrheit anzuschließen, die Europa regieren wird, und in Kauf zu nehmen, die EKR, deren Parteivorsitzende sie ist, zu spalten, oder aber die Einheit der Fraktion zu wahren und die italienische Regierung in der Opposition zu positionieren. Die wahre Entscheidung liegt im Glauben, ob Italiens Probleme - angefangen bei der Einwanderung und der Tragfähigkeit seiner Staatsverschuldung - besser im Alleingang oder in Zusammenarbeit mit seinen europäischen Partnern und den Institutionen in Brüssel zu lösen sind.“