EU-Wahl: Was bedeutet das Ergebnis?

Während die Auszählung der EU-Wahl noch läuft, zeichnen sich bereits Gewinner und Verlierer ab: Die konservative EVP und die Rechtsaußen-Fraktionen EKR und ID gewinnen Sitze im einstelligen Bereich hinzu, während Grüne und Liberale Sitze im zweistelligen Bereich verlieren. Kommentatoren beschäftigt vorrangig die Schwäche der Regierungsparteien in Paris und Berlin.

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Seznam Zprávy (CZ) /

Achse Paris-Berlin noch schwächer als zuvor

Der Niedergang der wichtigsten Regierungsparteien Deutschlands und Frankreichs hat die Erwartungen übertroffen, konstatiert Seznam Zprávy:

„Präsident Macron und Kanzler Scholz müssen ihre Positionen vor allem in der Innenpolitik retten. Damit werden die europäischen Aktivitäten, zumindest in naher Zukunft, auf der Strecke bleiben. Es ist daher unmöglich, grundlegende Fortschritte oder Veränderungen in der wichtigsten europäischen Agenda zu erwarten, wie etwa dem Green Deal, der Migration oder der Unterstützung für die Ukraine.“

La Repubblica (IT) /

Europa blockiert

Auch La Repubblica ist enttäuscht:

„Wenn Frankreich und Deutschland wie gewohnt die Lokomotive Europas sein sollten, so ist dieser Zug gestern stehen geblieben und der gesamte Prozess der Stärkung der Union zum Stillstand gekommen. ... Die Rechte versperrt Europa den Weg. Sie greift die Unsicherheit, die Verwirrung, die Wut und die politische Einsamkeit der Bürger mit Schlagwörtern einer Rebellion auf, die die extremsten und radikalsten Kräfte belohnt. ... Jetzt schwenkt die Rechte gerade in Paris und Berlin ihre Fahnen, als hätte man die Lehren des vergangenen Jahrhunderts vergessen.“

Polityka (PL) /

Schwarze Wolken von der Seine

Das Wahlergebnis in Frankreich und die von Macron angekündigten Neuwahlen könnten noch größere Kreise ziehen, fürchtet Polityka:

„In einem kritischen Moment könnte also eine antieuropäische Gruppierung, die einst klare finanzielle Verbindungen zum Kreml hatte, die Macht in einer der wichtigsten Hauptstädte übernehmen. Allein in Frankreich würde dies eine Krise auslösen, die sich Europa im Moment absolut nicht leisten kann. In fast allen Ländern (auch in Polen) werden radikale Gruppierungen zu den Gewinnern des Wahlsonntags gezählt - das Bild wird also immer weniger optimistisch. Schwarze Wolken stehen über der Seine, und sie sind im Begriff, das gesamte liberale Europa zu überziehen.“

El País (ES) /

Rechtsaußen bleibt eine Minderheit

Europa wird durch den Zuwachs bei den Parteien rechts von der EVP nicht unbedingt rechter, meint El País:

„Das ist keine generelle Welle, sondern eher eine allmähliche Ausbreitung. ... Ihr Sieg sollte nicht überbewertet werden: Sie bleiben eine Minderheit. Es handelt sich um eine unglückliche politische Familie, deren Nationalismus des 19. Jahrhunderts sie daran hindern wird, mit einem Zusammenhalt zu agieren, der mit dem der Fraktionen der Sozialdemokraten oder der Volkspartei vergleichbar wäre. Und die Normalisierung der extremen Rechten in den europäischen Institutionen wird ihre internen Probleme aufdecken. ... Das Ergebnis wird nicht unbedingt ein rechteres Europa sein, sondern eines mit größeren ideologischen Spielräumen. Die anderen Gruppen müssen sich innerhalb dieser Ränder bewegen.“

Dagens Nyheter (SE) /

Schweden: Pragmatische Grüne wurden belohnt

In Schweden haben die Grünen sich überraschend noch vor den Schwedendemokraten als drittgrößte Partei platzieren können. Dagens Nyheter meint zu wissen, warum:

„'Das Klima, das Klima, das Klima', hieß es auf den Wahlplakaten. ... Eine naheliegende Schlussfolgerung ist: Wenn sich die Grünen voll und ganz aufs Klima konzentrieren, können sie Menschen außerhalb ihrer traditionellen Kernwählerschaft zurückholen. Viele Schweden sehen die Grünen [bisher] als eine Art Linkspartei light, und dafür ist das Interesse gering. ... Die EU ist einer der wichtigsten globalen Akteure für eine neue, moderne Klimapolitik. Das wissen die Wähler. Einen Monat vor der Wahl benannten 30 Prozent der Befragten in einer Umfrage des Schwedischen Rundfunks Klima und Umweltschutz als wichtigste Themen.“

Törökgáborelemez (HU) /

Ungarn: Fidesz bekommt ernsthafte Probleme

In Ungarn hat Péter Magyars Tisza-Partei aus dem Stand 30 Prozent der Stimmen erhalten, während die Regierungspartei Fidesz von Viktor Orbán unter 50 Prozent abstürzte. Fidesz hat jetzt viel zu bedenken, meint der Politologe Gábor Török auf seinem Facebook-Blog:

„Natürlich ist die jetzige Wahl kein totales Scheitern für Fidesz, aber das unter den Erwartungen liegende Ergebnis (das weit schlechteste aller Zeiten) und vor allem der beispiellose Aufstieg der Tisza sind sowohl Zeichen für ernsthafte Probleme als auch Quelle [weiterer] ernsthafter Probleme. ... Die Lage der Regierung wird zusätzlich dadurch erschwert, dass sie nach den Wahlen wahrscheinlich keine andere Möglichkeit haben wird, als eine strengere Haushaltspolitik als bisher zu verfolgen.“

Aktuality.sk (SK) /

Slowakei: Liberale bezwingen Fico-Partei

Die slowakische Regierungspartei Smer ist damit gescheitert, das Attentat auf ihren Vorsitzenden Robert Fico für den Urnengang auszunutzen, schreibt Aktuality.sk:

„Die Smer-Kampagne 'Für Robert Fico' hätte eine entscheidende Masse von Menschen mobilisieren sollen, die wie Smer und Fico die Opposition und die Medien für den Anschlag mitverantwortlich machen. Doch diese Kampagne hat nicht ausgereicht. Die liberale Progressive Slowakei (PS) war stärker mobilisiert, erfüllte den Slogan, dass Smer nicht alles haben kann. Der Sieg der PS ist daher eine gute Nachricht, insbesondere für ihre Wähler, die nach den vorgezogenen Wahlen im Jahr 2023 und den Präsidentschaftswahlen im Jahr 2024 frustriert waren.“